der umbruch ist geglückt
2. Bundesliga: Das Erfolgsgeheimnis der SV Elversberg - doch kein One-Season-Wonder?
- Veröffentlicht: 25.10.2025
- 08:28 Uhr
- Nicolas Gödtel
Wer die SV Elversberg in der 2. Bundesliga noch nicht auf dem Schirm hat, sollte das dringend ändern. Nach einem großen Umbruch im Sommer stehen sie in dieser Saison sogar noch besser da als zuvor – aber wie schaffen sie das?
Von Nicolas Gödtel
Als die SV Elversberg im Sommer in die neue Zweitliga-Saison startete, sah vieles nach einem schweren Jahr aus. Gleich mehrere Leistungsträger hatten den Verein verlassen – darunter Toptorjäger Fisnik Asllani, Mittelfeldmotor Muhammed Damar und Dauerbrenner Maurice Neubauer.
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Auch Erfolgstrainer Horst Steffen, der den Verein vom Niemandsland der Regionalliga bis in die Relegation zur Bundesliga geführt hatte, wechselte zu Werder Bremen.
Elf Abgänge insgesamt – und das bei einem Klub, der mit 7.500 Mitgliedern und dem kleinsten Stadion der Liga ohnehin zu den bescheidensten Vertretern des deutschen Profifußballs zählt.
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SV Elversbergs Aufstieg: Von der Regionalliga zur Relegation
Dabei ist der Weg der Saarländer ohnehin bemerkenswert. Als Horst Steffen im Oktober 2018 übernahm, stand Elversberg in der Regionalliga Südwest auf Platz 11.
Schritt für Schritt formte er ein Team, das zunächst in der Regionalliga stabilisierte und 2022 den Aufstieg in die 3. Liga schaffte – nur ein Jahr später ging es direkt weiter in die 2. Bundesliga.
In der vergangenen Saison spielte Elversberg eine außergewöhnliche Spielzeit. Mit Toptorjäger Fisnik Asllani (18 Tore) und Muhammed Damar im offensiven Mittelfeld stellte die Mannschaft mit 64 Treffern die zweitgefährlichste Offensive hinter Aufsteiger HSV.
Über die gesamte Saison wurden nur 23 Spieler eingesetzt – die wenigsten der Liga – und der Kader gehörte mit einem Durchschnittsalter zu den drittjüngsten der 2. Bundesliga. Zudem wurde Elversberg als fairstes Team der Saison ausgezeichnet.
In ihrer Premierensaison in der 2. Bundesliga sicherte sich die Mannschaft den dritten Platz und qualifizierte sich damit für die Bundesliga-Relegation, in der sie nur hauchdünn an Heidenheim scheiterte, das sich erst in der Schlussphase rettete.
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SV Elversberg nach Abgängen: Umbruch mit Erfahrung und Talenten
Nach dem Weggang von unter anderem Asllani, Damar und Trainer Steffen stand Elversberg vor einem großen Umbruch.
Wie bereits erwähnt verließen elf Spieler den Verein, dafür kamen zwölf neue - viele davon mit bereits gesammelter Erfahrung, auch wenn es keine bekannten Namen waren.
Insgesamt stieg das Durchschnittsalter des Kaders auf etwas mehr als 25 Jahre. Einer von ihnen ist Außenverteidiger Lasse Günther, der vor der Saison aus Augsburg zur SVE wechselte und sich sofort einen gesetzten Platz in der Startelf erarbeitete.
Sportdirektor Ole Book, seit acht Jahren im Amt und kürzlich mit einem neuen Vertrag ausgestattet, setzte bewusst auf diese Mischung aus erfahrenen Kräften und jungen Perspektivspielern.
Gleichzeitig konnten zentrale Säulen wie Kapitän Lukas Pinckert gehalten werden. Finanziell blieb der Verein stabil: Mit einem Transferplus von knapp einer Million Euro meisterte Elversberg den Kaderumbau souverän.
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Junge Spieler im Fokus: So formt Elversberg seine Stars
Die Saarländer bleiben ihrer Linie in der Talentförderung weiterhin treu: Der Klub setzt auf Spieler, die anderswo kaum Chancen bekommen – und formt sie zu Leistungsträgern.
Das beste Beispiel ist derzeit Younes Ebnoutalib. Der 22-jährige Marokkaner kam erst im Januar 2025 vom FC Gießen aus der Regionalliga. Noch vor gut einem Jahr war er vereinslos, heute ist er Top-Torjäger der 2. Bundesliga.
In neun Spielen erzielte Ebnoutalib neun Tore, zuletzt glänzte er mit einem Hattrick beim 6:0 gegen Fürth. Laut "Bild" ruft Elversberg bereits eine Ablösesumme von rund 6 Millionen Euro für ihn auf.
Doch der Verein hat ein Händchen für Talente nicht erst seit dieser Saison: Asllani, Damar (beide von der TSG Hoffenheim), Nick Woltemade (ehemals ausgeliehen von Werder Bremen) oder Paul Wanner (ehemals ausgeliehen vom FC Bayern) – sie alle bekamen bei der SVE die Spielzeit und Geduld, die sie brauchten.
Neben den jungen Wilden gibt es auch Dauerbrenner, die den Verein geprägt haben – allen voran Luca Schnellbacher. Der Stürmer ist seit 2020 dabei, hat bereits 182 Pflichtspiele für die SVE absolviert und gehört zu den Gesichtern des Aufstiegs.
Vincent Wagner und sein klarer Plan für die SV Elversberg
Doch nicht nur bei Talenten setzt Elversberg auf unkonventionelle Wege: Auch auf der Trainerposition folgte nach dem Sommerwechsel eine Neuausrichtung.
Auf der Bank sitzt nun Vincent Wagner, dessen Werdegang ebenfalls nicht ganz gewöhnlich ist.
Wagner, der zuvor bei Hoffenheim II in der Regionalliga Südwest tätig war und dort mit der Mannschaft den Aufstieg in die 3. Liga schaffte, bringt Erfahrung aus verschiedenen Stationen mit, aber nie auf dem absoluten Top-Niveau – zuvor war er Co-Trainer bei Rot-Weiß Essen und Bochum und arbeitete im Jugendbereich.
Wie viele Spieler bei Elversberg hat auch Wagner keinen klassischen Profikarriereweg hinter sich: Er spielte nie in der Bundesliga, stand aber unter anderem bei Rot-Weiß Essen unter Vertrag. Zwischenzeitlich war er sogar als Sport- und Geschichtslehrer tätig.
Wagner gilt als strategischer Kopf, der die Entwicklung seiner Mannschaft genau analysiert und selbstkritisch hinterfragt.
Zuletzt verglich er sich im Interview mit dem "SR" witzelnd mit seinem Vorgänger Steffen: "Ich bin auf jeden Fall deutlich lauter als Horst es war."
Nach dem 6:0-Kantersieg gegen Greuther Fürth urteilte Wagner selbstkritisch: "Inhaltlich: gut, minus", schob dann ganz lehrertypisch nach: "Nachdem ich mir jetzt ein paar Szenen nochmal angesehen habe – da waren schon viele gute Sachen dabei – würde ich auf eine glatte zwei gehen. Ergebnistechnisch und von der Effizienz her war das natürlich eine Eins plus."
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Beste Offensive der Liga bringt Elversberg an die Spitze
Unter Wagners Leitung erlebt Elversberg einen exzellenten Saisonstart. Nach neun Spieltagen steht die Mannschaft mit sieben Siegen, einem Remis und einer Niederlage aktuell auf Tabellenplatz zwei - mit einem Spiel und zwei Punkten weniger als Tabellenführer Schalke 04.
Das Torverhältnis: 22:6 – beste Offensive und zweitbeste Defensive. Nur Schalke steht hinten noch stabiler.
Trotz des Höhenflugs bleibt Wagner besonnen: "Wir brauchen noch 18 Punkte zum Klassenerhalt. Das ist das erste große Ziel", sagt er vor der Partie gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld (ab 13:00 im Liveticker auf ran.de).
Die folgenden Wochen werden für Elversberg besonders anspruchsvoll, mit Spielen gegen direkte Konkurrenten wie Schalke, Paderborn und Darmstadt wartet ein hartes Programm. Wagner hat jedoch eine klare taktische Ausrichtung.
Elversberg überzeugt durch gnadenlose Effizienz und schnelles Umschalten
Auf dem Papier wirkt Elversberg in kaum einer Statistik herausragend. Weder bei Ballbesitz, Zweikämpfen noch bei Flanken liegt die Mannschaft in der Ligaspitze – vieles bewegt sich im soliden Mittelfeld.
Doch gerade das macht ihren Erfolg so bemerkenswert. Denn was die SVE auszeichnet, ist kein taktischer Zaubertrick, sondern Konsequenz: aggressives Pressing, schnelles Umschalten und gnadenlose Effizienz vor dem Tor.
Im gewohnten 4-2-3-1-System attackieren sie den Gegner früh, erzwingen Ballgewinne und schalten in Sekunden nach vorne.
Ihre offensive Wucht zeigt sich besonders in den Zahlen: In vier der letzten fünf Spiele übertraf Elversberg ihren erwarteten Torwert deutlich. Kaum ein Team verwandelt Chancen derzeit so eiskalt in Tore.
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Ole Book: Die ruhige Hand hinter Elversbergs Erfolg
Ein zentraler Baustein des Erfolgs ist die ruhige Hand im Hintergrund.
Sportdirektor Book hat in den vergangenen Jahren ein Netzwerk aufgebaut, das junge Talente ebenso anspricht wie erfahrene Spieler aus unteren Ligen. Seine Philosophie: realistische Ziele, klare Kommunikation und Vertrauen in das Trainerteam.
Elversberg zeigt, dass nachhaltige Entwicklung auch im modernen Profifußball funktioniert – ohne große Budgets oder Marketingkampagnen.
SV Elversberg: Ohne Druck zum Erfolg
Die SV Elversberg ist längst kein Außenseiter mehr, sondern eine feste Größe im Unterhaus. Trotz kleiner Strukturen, begrenzter Mittel und des Verlusts zentraler Figuren beweist der Verein, dass Erfolg planbar ist – wenn man Geduld, Vertrauen und ein gutes Auge für Talente hat.
Ganz ohne großen Druck nach außen zu arbeiten scheint Elversberg dabei sogar Vorteile zu bringen: Die vergleichsweise kleine Fanbase stört nicht, sondern erlaubt es gerade jungen Spielern, befreit auf dem Platz zu agieren.
Das Projekt Elversberg hat sich längst als attraktive Anlaufstelle für Talente etabliert, auch für Spieler, die von Bundesliga-Clubs ausgeliehen werden. Unter Wagner überzeugt die Mannschaft zudem mit offensiv attraktivem Fußball – effizient, wenn auch nicht immer konstant, aber insgesamt äußerst erfolgreich.
Der Weg, den der Verein geht, baut Schritt für Schritt aufeinander auf, ohne dass es einer spektakulären Geldspritze wie bei anderen Durchmärschen bedarf.
Ob der Höhenflug bis zum Saisonende anhält, bleibt abzuwarten. Doch eines steht fest: Ein One-Season-Wonder ist Elversberg schon jetzt nicht mehr.