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EuroBasket 2025

DBB-Team bei der Basketball-EM: Wie das neue System Franz Wagner noch dominanter macht

  • Veröffentlicht: 02.09.2025
  • 12:59 Uhr
  • Ole Frerks

Über vier Spiele hat das DBB-Team bei der EuroBasket einen sensationellen Eindruck hinterlassen – auch, weil die Deutschen offensiv unter ihrem neuen Coach so einiges verändert haben. Gerade Franz Wagner wirkt sogar noch stärker als bei den vorigen Turnieren. Muss diese Mannschaft nun als Gold-Favorit gelten?

von Ole Frerks

Daniel Theis holt den Rebound. Der Blick geht nach oben, der Outlet-Pass wird in den Lauf gespielt, erst hinter der Mittellinie landet er bei Dennis Schröder, der ihn mit der rechten Hand nur kurz kontrolliert und sofort zentral auf den sprintenden Isaac Bonga weiterspielt.

Der sieht Justus Hollatz in der Ecke – der findet Andi Obst weiter oben am Perimeter. Der den Closeout attackiert, hinterm Rücken wieder auf Hollatz rausspielt. Der sofort wieder Bonga den Ball gibt. Der wieder penetriert und … den Ball versehentlich zu einem Briten wirft.

Alles, währenddem Franz Wagner vor der Bank stehend so etwas wie seine Version des berühmten Vince-McMahon-Memes produziert. Der mit jedem weiteren Pass breiter zu grinsen anfängt, ehe der Angriff irgendwann doch schiefgeht und er enttäuscht die Hände hochreißt. Wobei sich die Enttäuschung in Grenzen hält. Der Spielstand liegt bei 52:24 …

Was ist die größere Überraschung an dieser Szene: Dass eine solche Aktion, mit sieben Pässen bei fünf Dribblings innerhalb weniger Sekunden, von einer deutschen Basketball-Mannschaft überhaupt versucht wird? Oder dass sie in diesem Fall nicht zum Erfolg führte?

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DBB-Team: Offensive Dominanz auf neuem Level

Es gibt gar nicht so viel, was derzeit nicht funktioniert beim DBB-Team. Bisweilen reibt sich die Augen, wer die Resultate in Tampere beobachtet und wie diese zustande kommen: Ihre vier Siege haben die Deutschen mit 30, 22, 19 und 63 (!) Punkten Abstand eingefahren, dabei immer die 100 Punkte geknackt.

Die 120 Punkte gegen das bemitleidenswerte Großbritannien waren die meisten, die ein DBB-Team bei einer EM jemals erzielt hat. Die Punktzahlen der anderen Spiele reichten aber allesamt ebenfalls bisher für die Top 8 der deutschen EM-Geschichte; diese Mannschaft schreibt die Geschichtsbücher neu, aktuell mit jedem weiteren Spiel.

Nun ist es einerseits keine Neuigkeit mehr, dass der deutsche Basketball sich verändert hat – dass die Mannschaft seit der 2022er EM zur Weltspitze gehört, zu diesem Turnier ja sogar als amtierender Weltmeister gereist ist. Man wusste durchaus, wie gut dieses Team ist, dass es auch in diesem Jahr wieder zu den Favoriten zählen musste.

Die Art und Weise andererseits – die Dominanz, die Leichtigkeit, die Spielfreude? Das ist dann doch irgendwie eine neue Dimension.

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Das Wichtigste in Kürze

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DBB-Team: Das Risiko zahlt sich aus

Unweigerlich kommt man beim Grund dafür bei einem Mann an, der aufgrund seiner akuten Erkrankung in Tampere nicht an der Seitenlinie stehen kann: Coach Álex Mumbrú. Der einen anderen Ansatz verfolgte als sein beispiellos erfolgreicher Vorgänger Gordie Herbert und ein

Risiko damit einging, diesen Ansatz bei der kurzen Vorbereitungszeit auf das Turnier zu implementieren bei einem Team, das einander wesentlich besser kannte als ihn.

Bisweilen führte dieser Ansatz zu einer etwas hakeligen Vorbereitung, wobei auch die noch nicht ideale Form einiger Leistungsträger (etwa Daniel Theis) wohl eine Rolle spielte. Ausgerechnet jetzt, wo Mumbrú bisher nur am Fernseher zuschauen konnte, führt dieser Ansatz indes zu begeisterndem Basketball.

Das Spiel gegen Großbritannien ist dabei auszuklammern – die Briten waren kein Gradmesser für das DBB-Team, das war auch nicht wirklich anders zu erwarten. Anders war das beim vorigen Spiel gegen Litauen, das selbst zur europäischen Spitze zählt und eigentlich eine sehr solide Partie zeigte, am Ende aber trotzdem unter die Räder kam.

DBB-Team: Speed kills

Mumbrús Idee, die von seinem Vertreter Alan Ibrahimagic nun konsequent weiter gepredigt wird: Pace zählt, bei jeder Chance wird gerannt, sei es nach eigenem Rebound oder einem der zahlreichen gegnerischen Turnover, welche die aggressive deutsche Defense forciert (gegen Litauen waren es 18, aus denen Deutschland 25 Punkte generierte).

Gelangt die Offense ins Halbfeld, soll das Tempo dennoch hoch bleiben, der Ball sich schnell bewegen, um vorteilhafte Matchups zu finden. Flow entscheidet, wenig wirkt geskriptet, vielmehr diktiert Read & React das deutsche Spiel. Die Lineups sind dabei oft etwas kleiner und dynamischer als unter Herbert, der am liebsten zwei Bigs auf dem Court stehen hatte.

Zum Teil mag das der personellen Not geschuldet sein – das alte Prunkstück Frontcourt ist dieses Jahr etwas geschrumpft, zumal nach den Absagen von Moritz Wagner und Isaiah Hartenstein nun auch noch Johannes Voigtmann verletzungsbedingt das Team verlassen musste. Gleichzeitig akzentuieren die kleineren Lineups andere Stärken der Deutschen.

VIDEO: "Basketball in Perfektion" - Netz feiert DBB-Team nach Kantersieg

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DBB-Team: Die neue größte Stärke?

Das DBB-Team ist schnell, athletisch, gespickt mit Spielern, die das Geschehen lesen und gute Entscheidungen treffen können. Es hat Shooter, spielstarke, mobile Bigs, smarte Playmaker, nicht zuletzt auch Wings, die aufgrund ihrer Länge "aufrücken" und eine der größeren Positionen einnehmen können, ohne die defensive Integrität dadurch zu gefährden. Mit Tristan da Silva ist ein Neuling dabei, der perfekt in dieses Profil passt.

Zudem kommt diese Spielweise mindestens einem ihrer beiden Superstars sehr entgegen – Dennis Schröder schadet sie auch mitnichten, der Kapitän allerdings macht im FIBA-Basketball nüchtern betrachtet ohnehin immer sein Ding und tut das auch in Finnland (22,3 PPG, 5,5 APG – das kennen wir nicht anders!). Bei Wagner ist der Impact gefühlt etwas größer.

Der 24-Jährige hat schon über die letzten Jahre immer wieder gezeigt, dass er nicht zu stoppen ist, wenn er im Open Court attackieren kann. Mumbrús Ansatz gibt ihm dazu mehr Chancen als jemals zuvor, immer wieder rauscht Wagner blitzartig auf einzelne Verteidiger zu, die seiner Kombination aus Koordination, Physis, Länge und Ballgefühl in Korbnähe ausgeliefert sind.

DBB-Team bei Basketball-EM: Franz Wagners neue Dominanz

Diese Vorteile, die Wagner im FIBA-Basketball sogar noch mehr hat als in der NBA, nutzt das DBB-Team auch im Halbfeld. Immer wieder bietet sich Wagner im Post an oder zieht Off-Ball Richtung Korb, wo ihn unten ein präzises Anspiel findet. Ist er selbst der Ballführende, machen

die Deutschen das Spiel breit und ermöglichen es ihm, entweder selbst zu attackieren oder den Ball weiterzuspielen, wenn die Defense in seine Richtung kollabiert.

Wagner spielt dabei mit einer stetig wachsenden Kontrolle und Sicherheit, wirkt physisch noch präsenter. Die Briten sezierte er mit 10 Assists in 18 Minuten. Als Scorer spielt er mit Druck und forciert trotzdem wenig, in jedem der vier Spiele hat er über 50% aus dem Feld getroffen, dabei insgesamt erst zweimal den Ball verloren, lächerlich wenig für einen Spieler mit seiner Usage.

Und: Auch wenn sein Bruder Moritz kürzlich schimpfte, man solle nicht ständig Franz‘ Wurf zum Thema machen, auch dieser fällt. Sechs seiner zwölf bisher versuchten Dreier fanden ihr Ziel. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Wagner Spiele auch ohne den Dreier dominieren kann. Wenn dieser aber konstant da ist – was sollen Defensiven dann mit ihm anstellen?

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VIDEO: Basketball-EM: Dennis Schröder erklärt verrückte "Recovery"

Basketball-EM: Die Favoritenfrage …

Automatisch stellt sich diese Frage auch für seine Mannschaft. Muss Deutschland der Gold-Favorit sein? Bei 4-0 stehen auch die Türkei und Serbien. Die Türken haben ihre Spiele ebenfalls alle deutlich gewonnen, die Serben haben gegen Lettland gewackelt und ihren zweiten großen Star verloren, sie sind trotzdem Serbien und haben einen weiterhin tiefen Kader sowie den besten Spieler der Welt. Zum Abschluss geht es für das DBB-Team in der Staffel B am Mittwoch (19:30 Uhr im Liveticker) gegen Gastgeber Finnland.

Zudem wird Basketball gerade im K.o.-Modus natürlich auch von Tagesform und Matchups diktiert. Mit Ausnahme der Litauer musste das DBB-Team bisher noch gegen kein Top-Team ran, und auch unter Top-Teams gibt es Unterteilungen, komplizierte und weniger komplizierte Aufgaben.

Gegen die körperliche Dominanz und das Playmaking von Nikola Jokic oder auch Alperen Sengün kann es womöglich schon ein Problem werden, dass Theis nun der einzige auf diesem Level wirklich erprobte Big Man im Team ist. Gut möglich, dass es dann kreative Lösungen braucht, gerade wenn der 33-Jährige mal Foul-Probleme haben sollte.

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DBB-Team bei Basketball-EM: Grenzenlose Möglichkeiten

Ein Matchup-Albtraum sind die Deutschen allerdings ebenfalls. Ihren Mix aus Athletik und Finesse, aus Tiefe und Star-Power, aus Lineup-Flexibilität und Teamchemie, nicht zuletzt aus Offense und Defense können nicht viele Teams matchen. In der Vorrunde zumindest gibt es bisher kein Team, das einen so starken Eindruck hinterließ wie das DBB-Team.

Sie können sich davon nichts kaufen, natürlich. Noch nicht. Eins lässt sich aber jetzt bereits feststellen: Ein Team, das als amtierender Weltmeister in dieses Turnier ging, hat zumindest offensiv nun ein noch höheres Ceiling als vorher. Die meisten Punkte. Die besten Quoten. Die wenigsten Turnover. Die meisten Steals. Und diese Spielfreude …

Vielleicht war es wirklich Enttäuschung, die Wagner dazu brachte, bei Bongas Ballverlust die Hände hochzureißen. Bei vielen langjährigen Beobachtern des deutschen Basketballs dürfte derweil eine Frage aufgekommen sein, die über die vergangenen Jahre immer mal wieder neu gestellt werden musste. In was für einer Welt leben wir eigentlich?

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