Fabelwerte zum Saisonstart
NBA - Nikola Jokic sprengt (wieder) alle Skalen bei den Denver Nuggets: Der Joker in seiner eigenen Liga
- Aktualisiert: 20.11.2025
- 15:15 Uhr
- Ole Frerks
Nikola Jokic legt zum Saisonstart wieder einmal Zahlen auf, die historisch ihresgleichen suchen. In mehr als einer Hinsicht ist er sogar auf Kurs für die beste NBA-Saison der Geschichte. Auch Superlative werden dem Serben indes kaum noch gerecht.
Von Ole Frerks
29,1 Punkte, 13,2 Rebounds, 11,1 Assists. Effizienzwerte, welche die Skala sprengen (80% bei langen Zweiern?!). Weniger Spiele, in denen nicht wenigstens die Hälfte der Würfe drin waren (zwei), als Spiele mit einer Wurfquote von mindestens 80% (drei). Die Chance, einen neuen Klub (den 65/40/85-Klub!) zu gründen und nebenher ein Triple-Double im Schnitt aufzulegen.
Es ist bei Nikola Jokic endgültig ein Punkt erreicht, den vor ihm nur ganz wenige erreicht haben, wo die folgende Frage fast alles überstrahlt: Wie soll man das noch angemessen einordnen? Wie würdigt man einen Spieler, der irgendwie in seiner eigenen Liga zu spielen scheint, der Jahr für Jahr die längst unmöglich hohe Messlatte noch weiter nach oben verschiebt?
Der Joker macht seit Jahren sprachlos. Er scheint noch nicht damit fertig zu sein, im Gegenteil. Derzeit schickt er sich sogar an, seine bisher beste Saison überhaupt hinzulegen. Also, nochmal: Wie ist das zu würdigen?
Auch Dirk Nowitzki staunt über Nikola Jokic
Mit Awards vielleicht? Sicher: Jokic hat bereits einen prall gefüllten Trophäenschrank, unter anderem drei MVP-Awards und zwei zweite Plätze in Saisons, die keinen Deut schlechter waren. Jemand anderes muss nahezu Unmenschliches leisten, um ihm den Status als Wertvollster Spieler der Liga gar abzunehmen (wobei Shai Gilgeous-Alexander es vergangene Saison tatsächlich schaffte, Schritt zu halten). Es ist damit zu rechnen, dass dies noch eine Zeit lang so bleiben wird.
Mit Anerkennung? Die ist ohnehin da, nahezu von allen, seit längerer Zeit – die alten "der spielt doch keine Defense!"-Rufe und dergleichen sind seit Jahren verstummt. Als Dirk Nowitzki den Serben vor wenigen Tagen als "besten Spieler der Welt" bezeichnete, war das kein Hot Take, sondern eher die erneute Bestätigung von Allgemeinwissen.
"Wie er das Spiel liest, sein Basketball-IQ ist einfach unglaublich", sagte Nowitzki im Gespräch mit "Haymaker". "Trotz seiner mangelnden Athletik muss man wirklich sagen, dass er wohl der beste Spieler der Welt ist. Seine Fähigkeiten sind nicht von dieser Welt." Natürlich kann diese Anerkennung auch noch auf anderen Wegen ausgedrückt werden.
Wie es etwa Chris Paul tat, als Jokic auf dem Weg zu 55 Punkten in voller Geschwindigkeit diesen unmöglichen Floater aus dem Handgelenk schüttelte, der das Netz kaum in Bewegung brachte, weil er so butterweich in den Korb fiel, wie es die meisten seiner Würfe tun.
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Die Übersetzung: "Das ist doch nicht fair!"
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Nikola Jokic: Die beste Saison der NBA-Geschichte?
Mit Zahlen vielleicht? Das geht immer: Gewissermaßen ist das ohnehin seit Jahren Jokics Domäne, wobei er auch hier ständig nochmal einen draufsetzen kann. Egal, ob man dazu die klassischen Boxscore-Zahlen heranzieht (etwa die Tatsache, dass er die Liga bei den Rebounds und Assists anführt und über 29 Punkte pro Spiel bei 65% aus dem Feld auflegt) oder die Advanced Stats.
Den Rekord für das höchste Player Efficiency Rating in einer Saison etwa hält Jokic seit 2021/22 mit 32,85 … aktuell steht er "basketball-reference.com" zufolge bei 38,38. Beim Box Plus/Minus ist es nicht anders: Jokics eigener NBA-Rekord aus der 21/22er Saison liegt bei 13,72 … der derzeitige Wert beträgt 19,82.
Ohne das an dieser Stelle weiter vertiefen zu wollen, zumal sich ja zeigen muss, ob die Zahlen über die Saison so bleiben: Stand jetzt wäre Jokic auf dem Weg, die nach einigen Metriken beste NBA-Saison der Geschichte hinzulegen. Und das eben nicht zum ersten Mal. Wobei der Abstand diesmal noch größer wäre.
Nikola Jokic: Das perfekte offensive Verständnis
Oder vielleicht so? Jokic macht in nahezu jedem Spiel irgendetwas, das so nur er macht. Er hat seine Limitierungen in der Defensive, klar. Es gibt und gab jedoch vielleicht noch nie einen Spieler, der das offensive Geschehen so vollumfänglich dominieren konnte, der zu den besten Passern jemals zählt und gleichzeitig der effizienteste Volume-Scorer von allen sein kann.
Jokics eigene Abschlüsse sind überwiegend schwer, für normale Spieler jedenfalls. Seinen Mitspielern hingegen serviert er mundgerechte Abschlüsse in nahezu jeder Possession. Er sieht alles, antizipiert alles, kann das gesamte Geschehen dirigieren. Wie bei dieser Situation aus dem Pelicans-Spiel, das mit 28 Punkten (10/18 FG), 11 Rebounds und 12 Assists zu seinen schwächeren in dieser Saison zählte (er hatte 9 Turnover).
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Jokic sieht hier, dass Jamal Murray gedoppelt werden wird. Ehe er hoch zur Hilfe eilt, beordert er Peyton Watson in den Dunker Spot, ahnend, dass sich unten ein Freiraum öffnen wird, wenn die Defense nach oben, zu Murray und ihm, shiftet. Erst dann bietet er sich an, fängt den Ball und spielt ihn in einer Bewegung durch fünf Verteidiger zu Watson für einen freien Dunk. 0,8 Sekunden bleiben auf der Uhr. Wer macht so etwas sonst?
Gegen OKC und SGA: Ein ungleiches Duell
Oder vielleicht mit der folgenden Aussage? Die OKC Thunder sind momentan zurecht der Goldstandard der Liga. Ein amtierender Meister, der noch besser geworden ist, ein so dominantes Team, dass es dem Rest der Liga Angst einjagen muss. Das nahezu unbesiegbar wirkt. Außer, ganz vielleicht, für Jokic?
Die Denver Nuggets haben selbst einen großartigen Saisonstart hingelegt. 11-3, ein Net-Rating von +11,9 – so gut waren sie noch nie in der Jokic-Ära (das Net-Rating übertraf noch nie 6). Gerade im Vergleich zur Vorsaison, als Ex-Coach Michael Malone bloß noch der Starting Five zu vertrauen schien und kaum Unterstützung von der Bank kam, wirken sie etwas tiefer.
Wobei sich ihre Tiefe dennoch kaum mit der von OKC vergleichen lässt. Über die Saison gesehen ist die Bilanz sogar recht überschaubar, selbst wenn es einige Lichtblicke gab und zumindest personell nun mehr Optionen da sind: Die Minuten ohne Jokic werden auch in dieser Spielzeit klar verloren (Net-Rating: -6,5), was in Denver schon Tradition hat.
Zum Vergleich: Die Minuten ohne SGA gewinnt OKC derzeit mit +13 pro 100 Ballbesitzen, womit die Thunder das zweitbeste Team der Liga wären. Auch wenn Jokic mehr Unterstützung hat als zuvor, und etwas weniger spielen muss als in 24/25 (34,5 statt 36,7 Minuten pro Partie), sind das nüchtern betrachtet noch immer völlig andere Dimensionen.
Denver Nuggets: Wieder mittendrin
Natürlich muss das nicht so extrem bleiben, zumal gerade Cam Johnson in Denver noch nicht so recht angekommen ist und mit Christian Braun nun ein wichtiger Spieler erst einmal lange ausfällt. Es spielt letztlich aber auch keine Rolle: Jokic wäre nicht Jokic, müsste man seinem Team trotz dieser Diskrepanz nicht dennoch eine legitime Chance auf den Titel einräumen.
Vielleicht ist das aktuell tatsächlich der beste Weg, Jokic zu würdigen. Selbst eine der besten NBA-Defensiven der Geschichte wird sich wieder ein ganzes Jahr lang damit beschäftigen müssen, wie dieses massive Rätsel in der Postseason ein weiteres Mal gelöst werden könnte, sollten die Teams erneut aufeinandertreffen.
Er ist der Typ, der gerade die Maßstäbe setzt. Der das Spiel denkt wie kein Zweiter, der Lösungen findet, wo andere noch mit der Fragestellung beschäftigt sind. Der das Spiel gefühlt schon vor einigen Jahren durchgespielt hatte – und trotzdem irgendwie noch immer besser wird.