Bundesliga
Hertha BSC: Sneaker-Millionär Timoshin will als Präsident den "Saustall aufräumen"
- Aktualisiert: 08.11.2024
- 13:47 Uhr
- Oliver Jensen
Der als "Sneaker-Millionär" bekannte Stepan Timoshin will Präsident von Hertha BSC werden. Im Interview mit ran spricht er über seine Pläne und macht den Verantwortlichen scharfe Vorwürfe.
Das Interview führte Oliver Jensen
Er ist erst 23 Jahre alt und möchte die Lösung für die Probleme von Hertha BSC sein. Stepan Timoshin steht bei der Mitgliederversammlung am 17. November als Präsidentschaftskandidat zur Wahl.
Trotz seines jungen Alters bringt er viel unternehmerische Erfahrung mit. Mit dem An- und Verkauf von Sneakern verdiente er ein Vermögen und war danach auch als Start-Up-Unternehmer erfolgreich.
Im exklusiven Interview mit ran verrät Timoshin, was bei der Hertha in den vergangenen Jahren schiefgelaufen ist und wie er den Verein auf Erfolgskurs bringen möchte. Dabei geht er mit den Verantwortlichen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit hart ins Gericht.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Herr Timoshin, Sie sind ein erfolgreicher Unternehmer, allerdings auch noch relativ jung. Warum sind Sie überzeugt davon, dass Sie der richtige Präsident für die Hertha wären?
Stepan Timoshin: Das Alter ist doch nicht das Entscheidende. Es geht um die Erfahrung. Auch wenn ich erst 23 bin, habe ich schon einiges gemacht. Ich habe mehrere Unternehmen hochgezogen, habe den Krebs besiegt und eine Scheidung durchgemacht. Außerdem bringe ich frischen Wind und eine neue Perspektive mit. Deswegen glaube ich, dass mein Alter ein großer Vorteil ist. Bei mir gibt es kein: "Das haben wir schon immer so gemacht." Bei mir zählt der Erfolg. Ich habe den Mut aufzuräumen und bin unabhängig genug, um genau das zu tun.
Timoshin als "Sneaker-Millionär" bekannt
ran: Bevor wir über die Hertha sprechen, erzählen Sie uns ein bisschen was über sich. Sie sind in den Medien vor allem als "Sneaker-Millionär" bekannt. Wie genau sah Ihr bisheriger Werdegang aus?
Timoshin: Ich habe im Alter von 14 Jahren angefangen zu arbeiten und meine Mutter unterstützt. Dann entdeckte ich meine Liebe zu Sneakern und habe Schuhe angekauft und verkauft. Daraus entwickelte sich mein erstes Unternehmen. Heute fokussiere ich mich auf meine Arbeit für Start-ups.
ran: Und wie entstand Ihre Liebe zur Hertha?
Timoshin: Als kleiner Junge nahm mich mein Vater mit ins Olympiastadion. Das war damals für mich keine einfache Zeit. Ich kam mit sieben Jahren von Lettland nach Deutschland, kannte die Sprache nicht und fühlte mich nicht integriert. Aber wenn ich gekickt habe oder im Stadion saß, fühlte ich mich integriert. Das half mir letztendlich auch beim Lernen der Sprache. Heute bin ich der Hertha sehr dankbar und will etwas zurückgeben.
Externer Inhalt
Bundesliga-Transfergerüchte: Barcelona will Eintracht Frankfurts Omar Marmoush
ran: Zurück zur Hertha, die in den vergangenen Jahren viel Geld "verbraten" hat. 374 Millionen Euro kamen von Investor Lars Windhorst, danach rund 75 Millionen Euro von 777. Dennoch spielt der Verein nun die zweite Saison in der 2. Bundesliga und steht auch dort lediglich im Mittelfeld. Wie ist das Ihrer Ansicht nach zu erklären?
Timoshin: Man hat es geschafft, die größte Geldverbrennungsanlage Deutschlands zu installieren. Das ist der Wahnsinn. Der Grund ist, dass der Verein keine funktionierenden Strukturen hat. Wer Geld ins Chaos steckt, kann dabei zugucken, wie es verbrannt wird. Es ist eine Meisterleistung, dass Fabian Drescher (kommissarischer Präsident, Anm.d.Red.) es geschafft hat, sich von diesem Desaster in der Wahrnehmung freizusprechen, obwohl er seit acht Jahren dabei ist – genauso wie viele andere handelnde Personen auch. Das entspricht einfach nicht meiner Vorstellung von Führung und Verantwortung. Wenn ich Fehler mache, stehe ich dafür gerade.
ran: Wo ist das ganze Geld Ihrer Einschätzung nach hingeflossen?
Timoshin: Dazu möchte ich mich jetzt noch nicht äußern. Sollte ich als Präsident gewinnen, würde ich mit meiner ersten Amtshandlung sofort eine Untersuchung starten und für jedes Hertha-Mitglied aufklären, wohin das Geld geflossen ist. Es gibt ja viele Vermutungen: Das Darlehen von KKR, das Darlehen von Werner Gegenbauer (Ex-Präsident, Anm.d.Red.), Transfers, Gehälter – bei der Hertha wurde viel Wahnsinn getrieben.
Hertha hat viele Probleme
ran: Es scheint so, als würden sämtliche Fußball-Größen an der Hertha scheitern. Jürgen Klinsmann trat zurück und zerlegte den Verein in einem an die Öffentlichkeit geratenen Arbeitsbericht. Fredi Bobic lag bei Eintracht Frankfurt gefühlt mit allen Personalentscheidungen richtig – bei der Hertha gefühlt immer falsch. Felix Magath hielt den Verein 2022 zwar in der Bundesliga, sprach aber von der "schwierigsten Aufgabe" seiner Karriere. Warum funktioniert der Verein einfach nicht?
Timoshin: Weil einfach neues Geld reingepumpt wurde, ohne professionelle Strukturen zu haben. Das würde genauso weitergehen, wenn wir die Strukturen nicht ändern. Jeder neue Geldgeber und jeder neue Mitarbeiter bringt dann neue Leute und eigene Interessen mit. Alle Namen, die Sie gerade erwähnt haben, kamen ja nicht alleine. Selbst wenn die Leute entlassen wurden, blieb das Team um sie herum im Verein. Und für die stand nicht das Interesse der Hertha an erster Stelle.
ran: Sie prangerten bereits öffentlich Seilschaften und Korruptionen an. Was genau ist damit gemeint?
Timoshin: In den vergangenen Jahren wurde sehr viel Geld verbrannt. Das geschah in unauffälliger Intransparenz und teilweise mit krummen Deals und alten Seilschaften. Das hat nichts mit einer modernen und transparenten Vereinsführung zu tun. Die Mitglieder schauen bei der Hertha in eine Blackbox und sind zurecht sauer. Deshalb verspreche ich: Ich werde aufräumen und diesen Saustall ausmisten. Dazu werde ich direkt nach meiner Wahl einen Untersuchungsausschuss einsetzen, der dieses Millionengrab ganz genau aufarbeitet.
ran: Bei der Hertha gab es einst die Vision von einem "Big City Club". War das vielleicht zu groß gedacht?
Timoshin: Ja, der Big-City-Club-Wahnsinn war für mich vergleichbar mit einem Lotto-Millionär, der plötzlich an das große Geld gekommen ist. Hertha BSC spielte vorher ohne dieses Geld europäisch und war ein etablierter Erstligist. Dann kam das große Geld, aber es kam keine Struktur und Transparenz. Das Ding wurde völlig gegen die Wand gefahren. Hinzu kommt: Diese gesamte Vision rund um den Big-City-Club wurde uns Fans übergestülpt, das kam von außen. Da ist viel Vertrauen verloren gegangen.
Timoshin würde eigenes Geld investieren
ran: Hertha muss im November 2025 eine Anleihe über 40 Millionen Euro zurückzahlen. Wo soll das Geld hergenommen werden?
Timoshin: Wir müssen neue Gelder in den Verein bringen - aber nicht durch weltweit große Investoren, sondern durch Unternehmer, die auch abseits des schnellen Geldes ein Interesse an Hertha BSC haben. Ich bin der einzige Kandidat, der eine unternehmerische Lösung für die 40 Millionen Euro Anleihe hat. Durch mein Netzwerk habe ich viele Unternehmer zusammengetrommelt, die bereit sind, ihr Geld an die Hertha zu spenden - ohne Zinsen oder irgendwelche Rückzahlungen.
Üble Gesichtsverletzung bei Barcelona-Talent Pau Cubarsi: Die schlimmsten Horrorverletzungen im Fußball
ran: Und wie schätzen Sie die Lösungsansätze Ihrer Konkurrenten bei der Präsidiumswahl ein?
Timoshin: Jeder einzelne Kandidat wird die Anleihe zu einem verrückten Zinssatz von fünf bis sieben Prozent refinanzieren. Man löst dadurch nichts, sondern schiebt das Problem einfach weiter. Mir ist wichtig, dass wir das Problem mit der Anleihe lösen, um dann auch Raum und Entwicklung für den e.V. zu haben. Ich will das Herz von Hertha zurück nach Berlin holen. Das schaffen wir übrigens nur, wenn wir auch die Anteile zurückkaufen.
ran: Würden Sie auch Ihr eigenes Geld in den Verein investieren?
Timoshin: Ich würde mein ganzes Vermögen in den Verein investieren, wenn es der Hertha hilft.
ran: Ernsthaft?
Timoshin: Ja klar. Geld kann man immer wieder neu verdienen. Am Ende des Tages habe ich der Hertha wirklich viel zu verdanken. Das Problem ist nur: Aktuell würde das Geld einfach verbrannt werden. Deshalb brauchen wir erst einmal bessere Strukturen.
ran: Sie kandieren nicht nur als Präsident, sondern auch als Vizepräsident. Wie sehr würde sich der Einfluss unterscheiden, den Sie auf den Verein nehmen könnten?
Timoshin: Der Präsident hat natürlich mehr Strahlkraft nach außen. Aber das gesamte Präsidium ist die Vertretung der Gremien. Wenn die Mitglieder entscheiden, dass ich meine Fähigkeiten am besten als Vizepräsident einsetzen kann, nehme ich diese Rolle mit der ganzen Kraft an. Denn auch hier gilt: Hauptsache Hertha!
"Berliner Weg" grundsätzlich richtig
ran: Wie stehen Sie zu dem "Berliner Weg", der von dem verstorbenen Ex-Präsidenten Kay Bernstein ausgerufenen wurde?
Timoshin: Die Grundsätze des Berliner Wegs sind absolut richtig. Also: Mehr Nähe zu den Fans, wirtschaftliche Stabilität, ein stärkerer Fokus auf die Jugend. Aber das wurde und wird nicht konsequent umgesetzt. Ein Beispiel dafür waren die Einsparungen im Jugendbereich. Das ist kein Berliner Weg und zeigt: Solange wir finanziell nicht auf gesunden und eigenen Beinen stehen, bleibt der Berliner Weg eine reine Vision. Das fände ich schade.
ran: Ein viel diskutiertes Thema ist ein eigenes Stadion für die Hertha. Wie sehen Ihre Pläne dafür aus?
Timoshin: Wir brauchen langfristig ein eigenes Stadion, da führt kein Weg dran vorbei. Schließlich resultiert daraus auch eine Einnahmequelle. Aber wir sollten mit Bedacht an die Sache rangehen und nicht kopflos in die nächste Neuverschuldung und Fremdherrschaft springen. Zunächst muss die Sanierung des Vereins oberste Priorität haben. Das Lustige ist ja, dass vor jeder Präsidentschaftswahl jeder Hauptkandidat von einem eigenen Stadion spricht. Aber sobald die Wahl vorüber ist, wird das Thema heruntergefahren.
ran: Nehmen wir einmal an, Sie werden der neue Präsident der Hertha und können Ihre Vorhaben umsetzen. Wo wird der Verein in zehn Jahren stehen?
Timoshin: Wir müssen die Anleihe zurückzahlen, die Anteile zurückkaufen – und dann wäre es mein Wunsch, dass Hertha BSC auf soliden eigenen Beinen steht, in der 1. Liga spielt und im besten Fall auch im internationalen Geschäft. Mit transparenter Mitgliederbeteiligung und einem starken NLZ als Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Gerne würde ich auch unsere Frauen-Mannschaft in der 1.Liga sehen. Und ich wünsche mir auch andere starke Sparten – ob nun im Kegeln, Boxen, eSport, Tischtennis oder ganz neuen Bereiche.