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FC Bayern: Nächstes Juwel vor dem Absprung? Max Eberl muss den Umgang mit Talenten dringend überdenken!
- Aktualisiert: 10.07.2025
- 17:11 Uhr
- Justin Kraft
Paul Wanner wird den FC Bayern München in diesem Sommer wahrscheinlich erneut verlassen. Noch ist unklar, zu welchen Konditionen er geht. Klar ist hingegen, dass es ein Anlass für den FCB sein muss, sich grundsätzlich zu hinterfragen.
Von Justin Kraft
Vor etwas weniger als einem Jahr war Paul Wanner eines der Hauptgesprächsthemen im deutschen Fußball. "Er ist ein Spieler mit sehr viel Potenzial, den wir beim DFB fest in unseren Planungen haben", sagte Julian Nagelsmann im vergangenen September noch.
Der Bundestrainer schwärmte regelrecht von den Qualitäten des Top-Talents vom Bayern-Campus. Wanner sei so gut, dass er am Ende selber darüber entscheide, wann es zum Länderspieldebüt komme. Auch der österreichische Verband buhlt nach wie vor um den heute 19-Jährigen. Dennoch ist die Begeisterung in den letzten Monaten etwas abgeflacht.
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Nach einem beeindruckenden Saisonstart rutschte er in der Rückrunde aus der Startelf beim 1. FC Heidenheim, saß teilweise ohne Einwechslung auf der Bank. Erst im letzten Saisonspiel ließ der offensive Mittelfeldspieler bei seinem zwölfminütigen Kurzeinsatz nochmal aufblitzen, was er kann. Mit einem starken Assist sicherte er Heidenheim gegen die SV Elversberg in der Relegation den Klassenerhalt.
Das Wichtigste in Kürze
Für Wanners Entwicklung ist die Achterbahnfahrt des vergangenen Jahres isoliert betrachtet noch kein Drama. Und doch muss sich vor allem der FC Bayern München die Frage stellen, wie er mit seinen Top-Talenten in Zukunft umgehen möchte – und wie man bei Wanner im Speziellen besser hätte vorgehen können.
"Wir müssen bei Transfers und Verhandlungen generell klug vorgehen – und noch mehr auf unseren FC-Bayern-Campus schauen", sagte Bayern-Präsident Herbert jüngst der "Sport Bild" und fuhr fort: "Fakt ist, dass wir aktuell eine Gehaltsstruktur auf sehr hohem Niveau haben. Das wollen und müssen wir zurückdrehen, was natürlich nicht von heute auf morgen geht – dafür braucht man ein paar Jahre. Das Ziel ist, dass wir uns da sukzessive erneuern", sagte der 71-Jährige.
Paul Wanner galt einst als eines der größten Talente seiner Altersklasse
Schaut man auf das Jahr 2021 zurück, dann war die Ausgangslage relativ eindeutig. Am Campus galt der damals 15-jährige Wanner, der kurz vor seinem 16. Geburtstag stand, als eines der größten Talente – nicht nur in München, sondern deutschlandweit. Ein besonderer Spieler in seiner Altersklasse.
Beobachterinnen und Beobachter, die ihn im Training und in Spielen regelmäßig sahen, waren begeistert. Wanner bespielte Räume auf dem Platz, die andere nicht mal gesehen haben. Seine Übersicht und seine Fähigkeit, Steckpässe in der Offensive zu spielen, stachen schon damals heraus.
Mit der Vertragsverlängerung in München ließ er sich dennoch Zeit. Das Problem: Der FC Bayern zeigte ihm keine klare Perspektive auf. Der Weg zur Spielzeit im Profibereich erschien unendlich weit. Und Jahr für Jahr gab und gibt es bis heute zahlreiche Beispiele von Spielern, die am Campus viele Vorschusslorbeeren erhalten, um es dann beim Rekordmeister doch nicht zu schaffen.
Erst im Januar 2022 schafften die Bayern bei Wanner die Wende, lockten ihn auch mit drei Kurzeinsätzen in der Bundesliga. Anschließend folgten Leihen zur SV Elversberg und nach Heidenheim – allerdings erst ab Sommer 2023.
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Waren die Leihen für Paul Wanner wertvoller als Spielzeit beim FC Bayern?
Rückblickend betrachtet waren die beiden Leihstationen keine schlechte Entscheidung. Elversberg spielt einen offensiven Fußball. In der zweiten Bundesliga konnte der gebürtige Österreicher in einem ungefähr zum FC Bayern passenden System und in einer sehr physischen Liga wertvolle Erfahrungen sammeln.
Heidenheim war wiederum eine gänzlich neue Erfahrung. Eine für Bayern-Spieler ungewohnte Spielweise, Kampf gegen den Abstieg, viel Defensivarbeit – sicher auch Qualitäten, die ein junges Top-Talent weiterbringen können.
Allerdings vergingen zwischen seinem Debüt bei den Bayern-Profis im Januar 2022 und dem Ende der Leihe in Heidenheim nun drei Jahre. Drei Jahre, in denen sich Wanner zwar entwickelt hat, aber offenbar nicht ausreichend, um in diesem Sommer eine ernsthafte Option für die Bayern zu sein.
Der Weg für Talente ist beim FC Bayern zu weit
Die große Frage ist: Warum eigentlich nicht? Dass Wanner bei all seinen Qualitäten auch noch viele Aspekte hat, die er verbessern muss, steht außer Frage. Aber warum schaffen es andere Klubs, ihre jungen Top-Talente zu integrieren, während Spieler wie Wanner erst auf eine Odyssee geschickt werden?
In Barcelona kommen Jahr für Jahr Spieler aus der eigenen Jugend zum Einsatz. Auch wenn die Katalanen vor allem finanziell dazu gezwungen sind, zeigt sich, dass das erfolgreich sein kann. Denn nicht nur Ausnahmekönner wie Lamine Yamal profitieren von dieser Strategie, sondern auch (etwas) weniger außergewöhnliche Spieler.
Wie wäre der FC Bayern wohl mit Pau Cubarsi umgegangen, wenn er ein Münchner wäre? Vermutlich hätte man den Innenverteidiger wie Wanner erstmal U19 und Amateure spielen lassen, ihn dann verliehen und gehofft, dass er mit 19 oder 20 bereit für die Profis ist.
Ob er dann dieselbe Entwicklung genommen hätte wie jetzt? Zumindest fraglich. Mit 18 kommt er bei Barca schon auf 80 Einsätze und 6.140 Minuten.
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Zu hohe Erwartungshaltung in München?
Um einen ähnlichen Weg beim FC Bayern hinzulegen, muss der Spieler schon so außergewöhnlich wie Jamal Musiala sein – und selbst der brauchte einiges an Glück. Aus dem Umfeld des Campus heißt es, dass der heutige Superstar nicht bei allen am Campus sofort Eindruck hinterließ. Erst als er etwas zufällig bei den Profis mittrainierte, startete er durch.
Im Moment ist es so, dass die Bayern von ihren Talenten erwarten, dass diese in Vorleistung gehen. Man müsse als Campus-Spieler nochmal besser sein als der Spieler bei den Profis, mit dem man konkurriert, sagte Josip Stanisic jüngst. Eigentlich absurd.
Natürlich kann der FC Bayern kein klassischer Ausbildungsverein sein. Dafür steht auch finanziell zu viel auf dem Spiel.
Aber gerade beim Beispiel Wanner muss man sich auch an der Säbener Straße die Frage stellen, ob es wirklich so einfach ist, dass 99,9 Prozent aller Jugendspieler schlicht nicht gut genug für den FCB sind. Oder ob es nicht doch auch damit zusammenhängt, dass man diesen Spielern keine echte Chance gibt, sie anschließend in ihrer Entwicklung stagnieren und so ihr ursprüngliches Potenzial nie entfalten.
Für 16- und 17-jährige Top-Talente ist der Weg beim FC Bayern einfach zu weit. Deshalb zögert aktuell auch Lennart Karl mit seiner Entscheidung, ob er beim Rekordmeister bleibt. Bei der FIFA Klub-WM (vom 14. Juni bis 13. Juli im kostenlosen Live-Stream bei Joyn) hat er gesehen, dass es für seine Entwicklung womöglich besser wäre, zu wechseln.
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Der Campus ist eine ungenutzte Chance
Der Campus könnte die Chance sein, zumindest zwei, drei Kaderpositionen in den Top-18 pro Jahr an Jugendspieler zu vergeben. Für die nationalen Wettbewerbe darf das bei dem Etat und den vorhandenen Spielern keinen negativen Unterschied machen. Und international haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass Ausfälle von Stammspielern auch mit mittelteuren Profis nicht wirklich kompensiert werden können.
Warum also nicht den Mut aufbringen, den Weg nach oben für junge Spieler mal deutlich zu verkürzen? Gerade jetzt, wo Musiala monatelang ausfallen wird. Sowohl Wanner als auch Karl könnte der Ausfall Aussicht auf Einsatzzeit verschaffen.
Man stelle sich vor, Wanner hätte mit der Form, die er zu Beginn in Heidenheim hatte, beim FC Bayern regelmäßig Einsätze bekommen – mit besseren Mitspielern um sich herum.
Vielleicht wäre er dann sogar schon deutscher Nationalspieler. Es bleibt ein Blick in die Glaskugel. Aber es bleibt auch das Gefühl, dass die Bayern in den vergangenen Jahren sehr viel Talent verschwendet haben. Und das gilt es intern zu hinterfragen.