Auch in der CL gefordert?
FC Bayern München: Mittelfeld-Duo plötzlich gefragt - Goretzka und Palhinha mehr als nur eine Notlösung?
- Aktualisiert: 03.03.2025
- 17:34 Uhr
- Chris Lugert
In Abwesenheit des verletzten Joshua Kimmich und des erkrankten Aleksandar Pavlovic müssen plötzlich Leon Goretzka und Joao Palhinha im Mittelfeld des FC Bayern München ran. Eine Geburt aus der Not heraus - und vielleicht ein Fingerzeig für die Zukunft?
Von Chris Lugert
Wenn ein Trainer eines europäischen Topklubs Ende Februar plötzlich Formationen aufstellen muss, die es entweder noch nie oder lange Zeit nicht gab, dann läuft meistens etwas schief.
Denn für Experimente ist jetzt keine Zeit mehr. Auch beim FC Bayern München nicht.
Dennoch kam es am vergangenen Freitag beim Bundesligaspiel in Stuttgart (3:1) gleich zu einer doppelten Premiere bei den Bayern - und zwar ungeplant.
Erstmals im Kalenderjahr 2025 stand Joao Palhinha in der Startelf. Und zum ersten Mal überhaupt gemeinsam mit Leon Goretzka.
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Dass sich diese ungewöhnliche Kombination im zentralen Mittelfeld ergab, lag vor allem an der personellen Situation. Joshua Kimmich fehlte nach seiner Verletzung aus dem Frankfurt-Spiel eine Woche zuvor, Aleksandar Pavlovic meldete sich kurzfristig mit einer Erkältung ab.
Und so mussten ausgerechnet jene beiden in der Zentrale ran, die lange Zeit nur Mitläufer waren.
Eine Lösung, die auch am Mittwoch in der Champions League gegen Bayer Leverkusen (ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) gefragt sein könnte. Und die aus dem Nichts kommt.
Das Wichtigste in Kürze
Goretzka galt vor der Saison als einer der klarsten Verkaufskandidaten, deutlich wurde ihm seine quasi nicht existente Rolle im Team erläutert.
Ein Transfer kam jedoch nicht zustande, weil der langjährige Nationalspieler nicht einfach aufgeben wollte. Und tatsächlich kämpfte er sich heran und wurde in den vergangenen Woche immer wichtiger.
Palhinha wiederum wurde erst im vergangenen Sommer für 50 Millionen Euro vom FC Fulham verpflichtet, kam bei den Bayern aber bislang überhaupt nicht in Tritt.
Von Mitte November bis Mitte Januar fehlte er zudem mit einer Muskelverletzung. Nach zwei Jokereinsätzen erwischte ihn dann auch noch eine Grippe.
Kompany lobt Goretzka und Palhinha
Wenig verwunderlich daher, dass die Abstimmung zwischen den beiden Spielern in der Partie gegen den VfB noch ziemlich haperte. Gerade in der ersten Halbzeit gerieten sie gegen das Pressing der Stuttgarter immer wieder in Probleme.
Doch je länger das Spiel dauerte, desto besser harmonierten Goretzka und Palhinha. "In der zweiten Halbzeit waren sie stark", sagte Trainer Vincent Kompany bei "DAZN".
Der Belgier verwies auf die lange Zeit, in der Palhinha nicht in der Startelf gestanden hatte. Konkret war das letztmals am 6. November in der Champions League gegen Benfica Lissabon (1:0) der Fall. "Heute haben wir gesehen, dass wir ihn nutzen und ihm vertrauen können", lobte Kompany den Portugiesen.
Ähnlich sah es auch Goretzka, der sich bewusst war, dass er in dieser Konstellation die Leader-Rolle übernehmen musste. "Ich habe versucht, ihn so gut es geht zu unterstützen und im Laufe des Spiels ist auch ein bisschen klarer geworden, wo wir ihn haben wollen. Im Laufe des Spiels sind wir besser geworden", befand der 30-Jährige.
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Palhinha bringt einzigartiges Profil mit
Die Situation rund um Palhinha ist speziell. Sein Profil bringt kein anderer Mittelfeldspieler im Kader des FC Bayern mit.
Er ist ein klassischer Abräumer, ein Zweikämpfer, der allerdings wenig zum Offensivspiel beiträgt. Nach dem Stuttgart-Spiel meinte er mit einem Lachen, dass er in seiner Pause vor allem das Grätschen vermisst habe.
Eine klassische "Holding Six" also, wie sie Thomas Tuchel vor der vergangenen Saison haben wollte. Die er aber nie bekam, weil sich der Transfer von Palhinha im Sommer 2023 auf den letzten Zentimetern zerschlug.
Damals war der portugiesische Nationalspieler sogar bereits in München, doch weil alles so lange dauerte, schaffte es Fulham am Deadline Day der Transferperiode nicht mehr, einen Ersatz zu finden. Palhinha musste nach London zurück.
Obwohl frühzeitig feststand, dass es mit Tuchel nicht mehr weitergehen wird, wagten die Bayern im vergangenen Sommer einen neuen Anlauf. Wie man hört, geschah das auch deshalb, weil man Palhinha den Transfer versprochen hatte.
Kimmich und Pavlovic eigentlich gesetzt
Doch Kompany steht für eine andere Art Fußball. Er bevorzugt ball- und passsichere Spieler, die ins Kombinationsspiel eingebunden werden können und dieses auch aktiv vorantreiben. Diese Rolle taugt dem 29-Jährigen jedoch nicht. Weshalb er auch vor seiner Verletzung nie der unumstrittene Stammspieler war.
Ähnlich sieht es auch bei Goretzka aus, der zwar ein vielseitigeres Profil als Palhinha mitbringt, gerade technisch aber dennoch einige Schwächen aufweist. Dafür ist er ein Führungsspieler, der immer vollen Einsatz bringt.
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Sein Verhalten nach seiner zeitweisen Degradierung, als er auf öffentliche Beschwerden verzichtete, sondern stattdessen hart arbeitete, spricht Bände. Ebenso sein Tor in Stuttgart.
Dennoch ist Kimmich natürlich gesetzt, wenn er fit ist. Der DFB-Kapitän ist in Sachen kreierte Großchancen und Torschussvorlagen einer der besten Spieler der Bundesliga.
Und Pavlovic gehört die Zukunft, das Eigengewächs soll in den kommenden Jahren eine tragende Rolle einnehmen. Zudem hat er die beste Passquote der gesamten Liga.
Matthäus macht sich für Goretzka stark
Doch die jüngsten Entwicklungen werfen die Frage auf: Könnten Goretzka und Palhinha auch mittel- und langfristig wichtig werden, weil Kimmich vielleicht geht?
Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus hielt bei "Sky" ein flammendes Plädoyer für Goretzka, dessen Vertrag 2026 ausläuft.
"Er lebt seinen zweiten Sommer - trotz dieser ganzen Geschichten um ihn herum", sagte Matthäus: "Wenn man den in Stuttgart gesehen hat - nicht wegen des Tores - sondern wie gierig, wie gallig er Fußball gespielt hat, würde ich mir als Bayern München mal überlegen, ob ich Goretzka vielleicht auch verlängern würde."
Goretzka sei zudem "ein wichtiger Spieler und hat Einfluss in der Kabine", sagte Matthäus. Gerade bei einem möglichen Abgang von Führungsspieler Kimmich und einem nahenden Karriereende von Kapitän Manuel Neuer und Thomas Müller wäre Goretzka als Identifikationsfigur womöglich tatsächlich weit über sein fußballerisches Profil hinaus wichtig.
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Palhinha wiederum erinnert ein wenig an Javi Martinez, der letztendlich der entscheidende Faktor beim Triple-Sieg 2013 war. In der Saison davor hatten die Bayern mit Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos zwei Ballverteiler, Luiz Gustavo nahm damals den defensiven Part im Mittelfeld ein. Doch Martinez war der Schlüssel.
Soll heißen: Grundsätzlich kann es nicht schaden, einen Spieler wie den Portugiesen im Kader zu haben, um situativ auch auf verschiedene Gegner und Spielweisen reagieren zu können. Im Zweifel macht diese Flexibilität den Unterschied.
Gibt es eine Palhinha-Rolle bei Kompany?
Doch dafür muss Kompany eine Rolle für Palhinha finden. Eine Systemumstellung auf ein 4-3-3 mit Palhinha als Sechser sowie zwei Achtern wäre denkbar, aber wohin dann mit Jamal Musiala? Auf den linken Flügel?
Eine Raute würde zwar die Zehnerposition zurückbringen, aber gleichzeitig die über Jahre geschaffene Identität der bayerischen Außenstürmer beenden.
In einer Doppelsechs könnte Palhinha - wie einst Martinez - natürlich auch funktionieren, zumal er diese Position bei Fulham meist gespielt hat. Dann jedoch bleibt nur ein Platz daneben frei - was Qualität im Passspiel kosten würde, die für Kompany aber essenziell ist.
Palhinha kann die Spielmacher-Qualitäten weder von Kimmich noch von Pavlovic auch nur ansatzweise ersetzen, wenn, dann müsste er neben einem der beiden spielen - und den Verlust des anderen bestmöglich kompensieren.
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Spielt Palhinha, sind also so oder so Kompromisse erforderlich. Einfach aufgrund seines Spielstils. Allerdings stellt sich die Frage, ob 50 Millionen Euro Ablöse plus Gehalt nicht zu viel sind für einen Spieler, der nicht komplett zur Spielidee des Trainers passt - und ob Kompany überhaupt etwas ändern möchte.
Auch bei Goretzka bleibt dieses Manko - dass er jetzt wieder häufiger spielt, liegt vor allem an den fehlenden Alternativen, falls Kimmich und/oder Pavlovic ausfallen. Doch auch er ist kein Perfect Match für Kompany.
Und so ist unklar, wie es mit den beiden tatsächlich über den Sommer hinaus weitergeht. Vieles wird davon abhängen, ob Kimmich bleibt. Zumindest in dieser Saison aber sind sie noch ein Teil des Klubs - und in den entscheidenden Wochen ein wichtigerer, als man es noch vor Monaten gedacht hätte.