Champions League
FC Bayern nach Pleite in Barcelona: Nicht nur die Abwehr bereitet Kopfschmerzen
- Veröffentlicht: 24.10.2024
- 18:22 Uhr
- Martin Volkmar
Bei der Pleite in Barcelona ist nicht nur die Abwehrkette, sondern die gesamte Mannschaft des FC Bayern überfordert, den riskanten Spielstil des Trainers umzusetzen. Zweifel sind angebracht, ob die Münchner so gegen Topgegner bestehen können. Eine Analyse.
Aus Barcelona berichtet Martin Volkmar
Wo steht der "neue" FC Bayern ein knappes halbes Jahr nach dem Abschied von Thomas Tuchel?
Eine Frage, die aktuell alles andere als leicht zu beantworten ist. Fragt man die Verantwortlichen, den Trainer und die Spieler, so ist alles viel besser geworden.
"Der Weg, auf dem wir uns befinden, fühlt sich für uns sehr, sehr richtig an", erklärte Joshua Kimmich. "Es ist schon so, dass wir von unserer Spielweise sehr überzeugt sind."
Auch Vincent Kompany selbst, der angesichts der Kritik recht dünnhäutige Sportvorstand Max Eberl und CEO Jan-Christian Dreesen machten nach der 1:4-Klatsche beim FC Barcelona deutlich, dass es vorerst keine Änderung des Hochrisiko-Fußballs geben soll.
Die Zweifel sind allerdings nach der Pleite vom Mittwoch stark gewachsen, wie sich der FC Bayern auf diesem Niveau auf Dauer gegen Topgegner mit schnellen und abschlussstarken Stürmern durchsetzen will.
FC Bayern: Vier der letzten fünf Spiele sieglos
Schließlich sprechen die Fakten eine etwas andere Sprache: In vier der letzten fünf Spiele gelang dem Team gegen Gegner auf Augenhöhe weder in der Liga (Leverkusen, Frankfurt) noch in der Champions League (Aston Villa und Barca) ein Sieg, dabei kassierten die Münchner neun Gegentreffer.
In der Vorrunde der Königsklasse war der FCB zuvor 40-mal ungeschlagen geblieben, nun gab es nach dem 9:2 zum Auftakt gegen Dinamo Zagreb zwei Niederlagen in Folge.
Das Wichtigste in Kürze
Auf dem ungewohnten 23. Platz von 36 Teams ist zumindest der direkte Einzug ins Achtelfinale als einer der ersten acht Mannschaften in Gefahr und auch das große Ziel, das Finale am 31. Mai 2025 in der heimischen Allianz Arena.
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Ballack: Das stimmt alles nicht bei Bayern
"Es ist eine Momentaufnahme, aber es zeigt, dass bei den Münchnern auf hohem Niveau noch nicht alles stimmt, sowohl in der Ausrichtung, im System als auch vom Mentalen, hier heute die Höchstleistung abzurufen", sagte der frühere Bayern-Star Michael Ballack bei "DAZN".
Höher als beim 1:4 verloren die Bayern auswärts in der Champions League ohnehin nur einmal, vor mehr als 15 Jahren ebenfalls beim FC Barcelona unter dem wenig später entlassenen Jürgen Klinsmann (0:4).
Zuletzt hingegen war der deutsche Rekordmeister für die Katalanen die "Bestia Negra", der Angstgegner, hatte die vorherigen sechs Pflichtspiele mit einer Torbilanz von 22:4 gewonnen.
Fast-Rückkehrer Flick coacht Nachfolger Kompany aus
Entsprechend schmerzlich war die Abreibung auf großer Bühne in diesem Prestigeduell, vor allem gegen Ex-Coach Hansi Flick, der im Frühjahr beinahe zu den Bayern gewechselt wäre.
Eberl setzte aber lieber auf den als Trainer relativ unerfahrenen und gerade mit Burnley sang- und klanglos aus der Premier League abgestiegenen Kompany.
Und der Belgier kassierte im Olympiastadion auf dem Montjuic eine Lehrstunde, wurde von Flick mit dem gleichen offensiven fußballerischen Ansatz ausgecoacht.
Bayern oder Barca: Wer spielte "Harakiri"?
Kimmich sprach hinterher davon, Barca habe "Harakiri" gespielt, doch abgesehen von der ersten halben Stunde der Bayern, die nach dem frühen Rückstand durch Harry Kane verdient zum Ausgleich kamen, war eher das bayerische Spiel "Harakiri".
Dabei ist das Muster immer gleich und selbst gegen schwächere Gegner wie Wolfsburg am ersten Spieltag (3:2 nach 1:2) oder sogar Zagreb, das nach dem 0:3-Pausenrückstand beinahe binnen weniger Minuten ausgeglichen hätte, waren die Münchner Defensivschwächen zu erkennen.
Die größte Problemzone ist dabei die Innenverteidigung, denn Dayot Upamecano und Minjae Kim sind bei allen durchaus vorhandenen Stärken immer für einen Fehler gut.
Und sobald der Gegner schnell in die aufgrund von Kompanys hoher Pressinglinie offenen Räume spielt, brennt es hinten sehr schnell.
Upamecano und Kim fehlt zu oft die Unterstützung
Was nicht nur an der nach wie vor mangelhaften Abstimmung des Duos liegt, sondern auch an der fehlenden Absicherung durch die Mitspieler.
"Upamecano und Kim waren schon arm dran, sie hatten wenig Unterstützung", sagte der ehemalige FCB-Profi Torsten Frings in der ran Bundesliga Webshow.
Alphonso Davies links und der gelernte Linksverteidiger Raphael Guerreiro als Aushilfe auf rechts haben vor allem nach vorne ihre Stärken, sind defensiv aber alles anders als sattelfest.
50-Millionen-Mann Palhinha ein Totalausfall
Und im defensiven Mittelfeld glich der eigentlich vorrangig als zusätzliche Unterstützung der Hintermannschaft für 50 Millionen Euro eingekaufte Joao Palhinha einem Totalausfall.
Zudem war beim Portugiesen auch im Vergleich zum verletzten Aleksandar Pavlovic der größte Unterschied zu Barca zu erkennen, obwohl die Katalanen fast einen identischen Spielstil auf den Rasen brachten.
Bei Ballgewinn schalteten die Supertechniker blitzschnell um und der Ball lief wie am Schnürchen. Bei Bayern hingegen stockt das Offensivspiel immer wieder, weil sich gerade Palhinha als Hemmschuh erwies.
Bayern: Auch im Angriff ein Klassenunterschied zu Barca
Doch auch im Angriff war es ein Klassenunterschied. Hier die schnellen, wendigen und torgefährlichen Raphinha, Robert Lewandowski und Lamine Yamal, dort die eher behäbig, ungefährlich und fehlerbehaftet agierenden Michael Olise, Serge Gnabry sowie nach deren Einwechslung auch Kingsley Coman sowie Leroy Sane.
"Wir haben zu selten die Bälle hinter die Kette von Barca gesucht und so kaum die gegnerische Abwehr in Gefahr gebracht", meinte Kapitän Manuel Neuer.
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"Uns hat im Spiel ein wenig die Aggressivität im Mittelfeld gefehlt gegen so eine spielstarke Mannschaft wie Barcelona. So konnten sie uns immer wieder mit Tempo oder langen Bällen gefährlich werden."
Allerdings hatte auch Neuer seinen Anteil an der Unsicherheit in der Defensive und ein paarmal Glück bei riskanten Abspielen. Zudem hielt der einstige Welttorhüter an diesem gebrauchten Abend keinen einzigen Ball.
Matthäus: "Manuel Neuer ist gerade nicht mehr Manuel Neuer"
"Ich will Manuel normal nicht kritisieren, aber er ist im Moment nicht der Rückhalt für die Mannschaft, wie er es in der Vergangenheit war", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus der "Bild":
"Manuel Neuer ist gerade nicht mehr Manuel Neuer. Denn er hält nicht mehr die unhaltbaren Bälle, sein Torwartspiel hat sich verändert. Das belegt auch die Quote von nur knapp über 40 Prozent abgewehrten Bällen in der Bundesliga."
Doch trotz der "Götterdämmerung" soll eine Verlängerung des auslaufenden Vertrags mit dem 38-Jährigen um ein weiteres Jahr praktisch nur noch Formsache sein.
Ebenso wenig wie in dieser Personalie deutet sich bei der Taktik eine Änderung an.
Bayern: Eberl und Kompany weiter vom System überzeugt
"Ich rede nichts schön, wir haben verdient verloren", sagte Eberl, ergänzte jedoch: "Wir verteidigen das, was wir tun, weil wir davon überzeugt sind."
Und Kompany selbst antwortete auf die Frage nach seinem System nur: "Es ist normal, dass du als Top-Mannschaft mit deinem Weg Erfolg suchst."
Immerhin dürfte er damit angesichts der eher leichten Gegner in der Bundesliga bis zum Spiel in Dortmund am 30. November wohl durchkommen.
Bayern: Nächste Härtetests gegen Benfica und PSG
In der Champions League jedoch kommt es schon in den nächsten beiden Heimspielen gegen Benfica Lissabon (6. November) und Paris St. Germain (27. November), die über deutlich größere Offensivqualitäten verfügen, zu den nächsten Härtetests.
Vermutlich wird sich aber erst in den K.o.-Spielen im kommenden Frühjahr zeigen, ob Kompany eher "Lehrling" oder "Musterschüler" ist.
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Bis dahin wäre noch genug Zeit, den riskanten Spielstil anzupassen, um gegen Rivalen wie Real Madrid oder Manchester City bestehen zu können.
Erfahrungen aus England: Kompany hat keinen Plan B
Allerdings sind Beobachter in England nach den Erfahrungen bei Burnley überzeugt, dass Kompany keinen wirklichen "Plan B" hat.
Zwar wird von Bayern-Seite immer wieder darauf verwiesen, dass sein jetziger Kader wesentlich hochkarätiger besetzt sei als bei seinem letzten Klub.
Doch selbst daran kann man Zweifel haben, wenn man die wiederkehrenden Defizite vermeintlicher Leistungsträger in den entscheidenden Spielen der jüngeren Vergangenheit als Grundlage nimmt.
Denn die Aussetzer von Barcelona waren kein Einzelfall, nicht ohne Grund haben die Münchner seit fast zwei Jahren nicht mehr dauerhaft überzeugen können.
Trotzdem meinte Vorstandsboss Dreesen auf seiner kurzen Bankettrede: "Ich bin sicher, diese Mannschaft hat noch viel vor."