Fußball-EM
Merih Demiral und der Wolfsgruß-Skandal: Wofür steht die Gruppe und was war die Strafe?
- Aktualisiert: 05.10.2024
- 10:20 Uhr
- ran.de
Türkei-Star Merih Demiral wird nach seiner "Wolfsgruß"-Geste beim EM-Achtelfinale gegen Österreich von der UEFA aus dem Verkehr gezogen. Die türkische Regierung reagiert. ran beantwortet alle wichtigen Fragen.
Beim Achtelfinale der Fußball-EM zwischen der Türkei und Österreich (2:1) zeigt Türkei-Star Merih Demiral den rechtsextremen "Wolfsgruß". Gegen den Abwehrspieler des saudi-arabischen Klubs Al-Ahli wurde in der Folge von Seiten der UEFA ermittelt.
Diese sperrt den 26-Jährigen für zwei Spiele. Demiral verpasst damit das Viertelfinale gegen die Niederlande am Samstagabend (ab 21 Uhr im Liveticker) - zudem ein mögliches Halbfinale.
Selbst die türkische Regierung hat sich mittlerweile eingeschaltet und mit rechtlichen Schritten gedroht. ran beantwortet alle Fragen zur Thematik.
Das Wichtigste in Kürze
CAS weist Beschwerde des türkischen Verbandes zurück
Nachdem die UEFA Demiral für zwei Spiele gesperrt hatte, beschwerte sich der türkische Verband beim internationalen Sportgerichtshof CAS. Ziel war es, die Sperre zu drücken.
Allerdings wurde die Beschwerde nun abgewiesen. Der simple Grund: Der CAS ist gar nicht zuständig. Dieser beschäftigt sich nur mit Fällen, die länger als zwei Spiele oder einen Monat gesperrt wurden. Das ist bei Demiral nicht der Fall.
Durch das Aus der Türkei im Viertelfinale fehlt Demiral nun auch im ersten Pflichtspiel nach der EM.
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Was ist passiert?
Im Achtelfinale unterlag die österreichische Auswahl der Türkei mit 1:2. Beide Treffer für die türkische Nationalmannschaft erzielte Merih Demiral, seines Zeichens Verteidiger bei Al-Ahli in Saudi-Arabien.
Nach dem Tor zum 2:0 zeigte der Sportler den sogenannten "Wolfsgruß". So hielt er beide Arme nach oben und drückte seinen Ring- und seinen Mittelfinger gegen seinen Daumen.
Im Anschluss postete er zudem ein Foto des Moments in den sozialen Netzwerken.
Wofür steht der Wolfsgruß?
Der Wolfsgruß ist das Erkennungszeichen der "Grauen Wölfe". Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz gibt es davon in Deutschland rund 12.000 Anhänger. Der größte Teil, rund 10.500 Menschen, sind in Vereinen organisiert. Es handelt sich damit um eine der größten rechtsextremen Gruppen der Bundesrepublik.
In Frankreich sind die "Grauen Wölfe" verboten, in Österreich wiederum ihre Symbole. In Deutschland besteht kein Verbot, die Gruppierung wird aber aber vom Verfassungsschutz beobachtet.
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Wer sind die "Grauen Wölfe"?
Die "Grauen Wölfe" sind die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung". Politisch vertreten werden diese in der Türkei von der ultranationalistischen MHP, Bündnisparter der islamisch-konservativen AKP, der der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angehört.
Ziel der Gruppierung ist der "Turan", ein großtürkisches Reich. Politische Gegner sollen dafür eliminiert werden. Als Feindbilder der Ideologie gelten Nicht-Muslime, beispielsweise Christen und Juden, dazu Linke und Menschen mit kurdischer, armenischer und alevitischer Herkunft.
Was ist geschehen?
Die UEFA hatte zunächst Ermittlungen gegen Demiral eingeleitet. "Im Zusammenhang mit dem UEFA-Europameisterschafts-Achtelfinale zwischen Österreich und der Türkei, das am 2. Juli in Leipzig ausgetragen wurde, ist eine Untersuchung gemäß Artikel 31 Absatz 4 der UEFA-Disziplinarordnung in Bezug auf das mutmaßlich unangemessene Verhalten des Spielers Merih Demiral vom Türkischen Fußballverband eingeleitet worden", hieß es in einer Erklärung.
Am Donnerstag berichtete die "Bild", der 26-Jährige werde von der UEFA für zwei Länderspiele gesperrt. Der türkische Verband bezeichnete dies wiederum als Falschmeldung. So hätte man bis zum Freitagmorgen Zeit, um ein Plädoyer in Sachen Verteidigung einzureichen. Auch das türkische Kommunikationsministerium sprach bei "Twitter" von einer Fehlinformation.
Am Freitag dann gab die UEFA bekannt, dass Demiral für zwei offizielle UEFA-Matches aus dem Verkehr gezogen wird, weil er "die allgemeinen Verhaltensgrundsätze missachtet, gegen die Grundregeln des anständigen Verhaltens verstoßen, eine Sportveranstaltung für unsportliche Äußerungen genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht" hat.
Was sagt Merih Demiral?
Demiral ist sich keiner Schuld bewusst. So erklärte er, er habe keine "versteckte Botschaft" senden wollen. "Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun. Deswegen habe ich diese Geste gemacht. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die diese Geste auch gemacht haben", betonte der Profi.
Und weiter: "Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein und das ist der Sinn dieser Geste. Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin."
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Welche politischen Folgen gibt es?
Die Thematik hat zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei geführt. Aus seiner Heimat bekam Demiral zunächst Rückendeckung. Der Chef der MHP, Devlet Bahceli, bezeichnete bereits die Einleitung des UEFA-Verfahrens als "Provokation".
Auch das türkische Außenministerium äußerte sich, erklärte, der Wolfsgruß sei in Deutschland nicht verboten und bedeute nicht automatisch, dass jede Person, die ihn zeigt, rechtsextrem sei. So sei die Reaktion der deutschen Behörden "ausländerfeindlich".
In der Folge bestellte das Ministerium auch den deutschen Botschafter in der türkischen Hauptstadt Ankara ein. Das Auswärtige Amt wiederum ließ den türkischen Abgeordneten zum Rapport einbestellen.
Mittlerweile ist sogar klar, dass Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Samstag zum Viertelfinale reisen wird.
Wie reagiert die türkische Regierung auf die Demiral-Sperre?
Erbost. "Wir verurteilen die unfaire und voreingenommene Entscheidung der UEFA, für die es keine rechtliche Grundlage gibt und die wir für rein politisch halten", ließ Sportminister Osman Askin Bak auf "X" verlauten.
Auch rechtliche Konsequenzen wollte der Politiker nicht ausschließen. Er kündigte an, man werde "weiterhin mit juristischen Mitteln gegen diese Doppelmoral vorgehen, die gegen unser Land und unseren Nationalspieler Merih Demiral angewandt".
Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich derweil ebenfalls dazu geäußert und die Geschehnisse laut der Nachrichtenagentur "Anadolu" heruntergespielt: "Sagt jemand etwas darüber, dass die Deutschen den Adler auf ihren Trikots haben? Sagt jemand, die Franzosen haben einen Hahn auf dem Trikot, warum führen sie sich wie Hähne auf?" Demiral habe lediglich seine "Begeisterung" zum Ausdruck gebracht.
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Wieso eine Sperre über zwei Spiele?
Weil politische Botschaften auf Rasen und Tribüne verboten sind, ist die Sperre über zwei Spiele die Fortsetzung einer konsequenten UEFA-Linie.
So wurde bereits der Albaner Arlind Daku für zwei Länderspiele aus dem Verkehr gezogen, weil er nach dem zweiten Gruppenspiel gegen Kroatien (2:2) eigene Fans mit nationalistischen Gesängen angestachelt und diese auch selbst gesungen hatte.
"Der Spieler hat die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht beachtet, gegen die Grundregeln des anständigen Verhaltens verstoßen, Sportveranstaltungen für unsportliche Äußerungen genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht", verlautbarte die UEFA damals.
Demiral und Bellingham gesperrt - aber mit Unterschieden
Auch England-Star Jude Bellingham fiel im Achtelfinale negativ auf. In der Nachspielzeit hatte der Real-Profi die "Three Lions" mit seinem Treffer gegen die Slowakei in die Verlängerung gerettet. Sein Tor zum 1:1 feierte er dabei mit einer obszönen Geste. So griff er sich vor der slowakischen Bank in den Schritt.
Nach der Partie, die England mit 2:1 gewann, wurde auch gegen ihn ein Verfahren eingeleitet. Bellingham verlautbarte via "Twitter", es habe sich um einen "Insider-Witz gegenüber einigen Freunden, die beim Spiel dabei waren", gehandelt. So verspüre er für die Slowaken und ihre Leistung "nichts als Respekt".
Doch auch der 21-Jährige wird sanktioniert, wenn auch nicht annähernd so scharf wie Demiral. So muss er eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro zahlen und wird für ein Spiel gesperrt. Allerdings wird die Sperre nicht sofort vollstreckt, sondern für ein Jahr zur Bewährung ausgesprochen.
Im Viertelfinale gegen die Schweiz (Samstag ab 18 Uhr im Liveticker) gegen die Schweiz steht Bellingham damit also dennoch zur Verfügung.
Dass Bellingham im Vergleich zu Demiral deutlich milder bestraft wird, liegt daran, dass er nicht zu einer nationalistischen Geste gegriffen hat.