La Liga
FC Barcelona: Droht Hansi Flick bei Barca das gleiche Schicksal wie beim FC Bayern?
- Aktualisiert: 04.12.2025
- 17:39 Uhr
- Justin Kraft
Hansi Flick durchläuft beim FC Barcelona gerade eine wichtige Prüfung: Kann er auch mittel- oder sogar langfristig erfolgreich sein?
Es war eine Szene, die über die spanischen Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgte: Hansi Flick saß regungslos auf seinem Trainerstuhl. Gerade hatte der FC Barcelona mit dem 3:1-Sieg gegen Deportivo Alaves wichtige drei Punkte eingefahren, die sie an die Tabellenspitze von La Liga beförderten. Doch der Trainer wirkte konsterniert.
Leer, fassungslos, nachdenklich – zahlreiche Beschreibungen passten zu dem Deutschen. Einige Sekunden später kam Raphinha, beugte sich zu ihm und redete auf ihn ein. Flick schüttelte immer wieder den Kopf, sagte "no".
Beide versuchten sich hinterher an einer Erklärung. "Der Trainer hat gespürt, dass wir auf dem Platz viel mehr hätten leisten können", sagte der Brasilianer. Flick zeigte sich auch im Gespräch mit der Presse unzufrieden: "Wir haben im Moment nicht die Kontrolle, nicht die Intensität wie in der letzten Saison. Wir können und müssen uns verbessern."
Der ehemalige Trainer des FC Bayern München wirkt angeschlagen. Auch wenn Szenen wie jene am vergangenen Wochenende im Unterhaltungsgeschäft Fußball gern schwerwiegender interpretiert werden, als sie es letztlich sind, erinnert vieles an 2021. Zwar waren die Motive damals andere, aber Flick hinterließ auch bei seinem Ende in München einen müden, gestressten Eindruck.
Die Bundesliga und 2. Bundesliga kostenlos auf Joyn
In Barcelona läuft es nun wieder nicht so, wie es der einstige Bundestrainer gern hätte. Wiederholt sich die Geschichte oder findet der 60-Jährige diesmal einen Ausweg? Für ihn werden die kommenden Monate zur Prüfung: Kann Hansi Flick mehr als eine Saison?
Hansi Flick erlebt beim FC Barcelona ein kleines Deja-vu
Zugegeben: Die Saison 2020/21 und die damalige Situation beim FC Bayern waren anders angelegt als die jetzige. Damals hatte Flick nach eigenen Angaben großen Spaß mit der täglichen Arbeit mit seinem Team. Weniger Spaß bereiteten ihm aber offenkundig die Streitereien mit Hasan Salihamidzic.
Ein Konflikt, der hinterher einseitiger dargestellt wurde, als er es aber war. Auch Flick trug mit seiner Haltung dazu bei, dass schlussendlich keine Kompromisse möglich waren. Als sich dann die Chance ergab, zum DFB zu wechseln, nutzte er sie und erhöhte den Druck intern wie auch zunehmend in der öffentlichen Darstellung. Flick wollte weg, hatte keine Lust mehr auf Reibereien.
Die bestmögliche Interpretation ist, dass er ein großes Harmoniebedürfnis in seinem Umfeld hat. Eine negativere Deutung wäre, dass er mit Meinungsverschiedenheiten und Kompromissen wenig anfangen kann. Wenn die Dinge nicht nach seinem Plan laufen, wirkt er auch in Gesprächen mit der Presse schnell etwas dünnhäutig und gereizt.
Externer Inhalt
FC Barcelona: Auf dem Weg zurück an die Spitze?
In Barcelona ist dieser Punkt noch nicht erreicht. Grundsätzlich spielen die Katalanen wie auch die Bayern im Jahr 2021 keine schlechte Saison. Aber wie damals hat Flick in seiner ersten Spielzeit stark vorgelegt. Mit Barca erreichte er das Champions-League-Halbfinale, holte die spanische Meisterschaft, den Pokal sowie den Superpokal.
Sein gnadenloser Offensivfußball begeisterte die Fans in Katalonien und sogar in ganz Europa. Flick verhalf jungen Spielern zu ihrem Durchbruch und schaffte es, die Kabine hinter sich und den gemeinsamen Zielen zu vereinen. Für den Chaosklub war diese Saison nahezu heilend und Flick wurde entsprechend gefeiert.
Wie es bei erfolgsverwöhnten Klubs aber eben so ist, schüren erfolgreiche Monate eine Erwartungshaltung. Flick trainiert nicht mehr das Barcelona von 2024, das nahezu kleinlaut daherkam und voller Unsicherheit darüber war, ob man überhaupt noch zu den Spitzenklubs zähle.
Flick trainiert jetzt einen Champions-League-Halbfinalisten, der das Selbstverständnis zurückerobert hat, den Henkelpott bald wieder in den eigenen Händen zu halten. Mit einer neuen Generation von Spielern, die aus der berühmten "La Masia" hochgekommen sind und einem packenden Offensivfußball.
Flicks Philosophie stößt im zweiten Jahr an Grenzen
Doch Flicks Philosophie stößt im zweiten Jahr an Grenzen. In der Saison 2020/21 fanden immer mehr Teams heraus, wie es gelingt, das hohe Pressing zu überspielen. Lange Bälle und Seitenverlagerungen sind die großen Schwächen seines Systems. Geht dann wegen Verletzungen und hoher Belastung noch die Intensität um wenige Prozentpunkte nach unten, ist der Flick-Fußball nicht mehr so wuchtig, wie er es sein sollte.
Im Prinzip lebt die Idee des Deutschen davon, dass sie keine hohe Komplexität hat. Sie ist in der Theorie leicht zu vermitteln und zu erklären. Mit dem Ball geht es um Tempo, Vertikalität und Direktheit. Möglichst viele Spieler sollen hoch positioniert sein, um den Gegner tief zu binden, möglichst wenige Spieler sollen in der ersten Aufbauphase involviert sein.
Das geordnete Spiel ist nicht das, was Flick präferiert. In jeder Spielphase geht es um Intensität und Geschwindigkeit. Der Gegner soll ständig unter Druck gesetzt werden. Wird der Ball verloren, wird aggressiv gepresst. Gelingt das nicht, geht es darum, das Zentrum zu verschließen.
Flick setzt dabei auf eine teils absurd hohe Abwehrkette. Immer wieder gab es in seiner Zeit beim FC Barcelona Szenen, in denen ein langer Diagonalball reichte, um die gesamte Abwehrkette auszuhebeln. Ein beliebtes Gegenmittel des Trainers ist die Abseitsfalle. Und doch ist das Risiko enorm – vor allem dann, wenn die Offensive nicht optimal funktioniert, um etwaige Gegentore aufzufangen.
Müller, Kroos, Neuer und Co.: Die erfolgreichsten deutschen Titeljäger in der Geschichte
Kann sich Hansi Flick nochmal weiterentwickeln?
Flick selbst wird dieser Tage nicht müde, auf die Verletzungen zu verweisen. Joan Garcia, Marc-Andre ter Stegen, Ronald Araujo, Gavi, Dani Olmo, Frenkie de Jong, Raphinha, Lamine Yamal, Robert Lewandowski, Marc Bernal und einige andere fehlten in dieser Saison schon mindestens in drei Partien. Einige fallen oder fielen länger aus.
Auch wenn das ein wesentlicher Faktor ist, schafft es Flick aber nicht, sein System anzupassen. Er probiert es mit aller Macht mit seiner taktischen Brechstange. In München führte das einst dazu, dass die Offensive der Bayern immer stumpfer wurde. Denn je besser sich Abwehrreihen auf das einstellen, was sie erwartet, desto schwieriger wird es, das immense Tempo zu halten.
Flick ist mit Barca wieder an einem Punkt, an dem er Lösungen aus dem strukturierten Ballbesitz heraus präsentieren muss. Weil Gegner sein hohes Pressing mit langen Bällen überspielen und sich defensiv immer besser organisieren, haben die Katalanen häufiger Probleme als im letzten Jahr. Wird er wieder daran verzweifeln und zunehmend die Lust an seinem Job verlieren? Oder findet er neue Komponenten für sein System, die den FC Barcelona endgültig in die europäische Spitze zurückbefördern?
Die kommenden Monate sind nicht nur für die Katalanen richtungsweisend, sondern auch für Hansi Flick. Das deutet sich bereits in Wochen an, in denen die Ergebnisse überwiegend noch stimmen – die Leistung aber eben nicht. Ein Grund dafür, dass Flick am vergangenen Wochenende so nachdenklich wirkte.