Neuer-Rücktritt lässt Kampf um die Nummer eins entfachen
DFB-Team: Wer folgt auf Manuel Neuer? Die Kandidaten im Überblick
- Veröffentlicht: 22.08.2024
- 22:28 Uhr
- Dominik Hager
Die Ära von Manuel Neuer in der deutschen Nationalmannschaft ist vorbei. Der 38-Jährige hat seinen Rücktritt bekanntgegeben und öffnet damit die Tür für seine potenziellen Erben. Ein Blick auf die Nachfolge-Kandidaten.
Nach acht großen Turnieren als Nummer eins im deutschen Tor steht Manuel Neuer dem DFB-Team fortan nicht mehr zur Verfügung. Der 38-Jährige hat es anderen langjährigen Führungsspielern wie Thomas Müller, Ilkay Gündogan und Toni Kroos gleichgetan und seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet.
In Hinblick auf das nächste Groß-Event, die WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada, muss Bundestrainer Julian Nagelsmann eine neue Nummer eins bestimmen. Stand jetzt steht der Neuer-Thronfloger fest, jedoch ist nichts im Leben sicher und außerdem kann innerhalb von zwei Jahren viel passieren.
Ein Blick auf die Situation im deutschen Tor nach dem Neuer-Rücktritt.
Marc-André ter Stegen
Marc-André ter Stegen ist im DFB-Team fast schon so lange die Nummer zwei, wie Manuel Neuer die Nummer eins war. Der Barca-Keeper stand im Großen und Ganzen lediglich während der langen Verletzungspausen Neuers zwischen den Pfosten, durfte aber kein wichtiges Turnier absolvieren.
Nun wird ter Stegen vorerst zur Nummer eins aufrücken. Der 32-Jährige ist international erfahren, verfügt über grandiose Reflexe und ist am Ball auf einem ähnlichen Niveau wie Neuer. Ergo: ter Stegen ist ein Weltklasse-Keeper und verdientermaßen die neue Nummer eins.
Die Frage ist lediglich, wie lange er sein Niveau halten können wird. Ter Stegen hatte in der Vergangenheit auch schon mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Sollte er aber für die kommenden zwei Jahre fit bleiben und seine gewohnten Leistungen zeigen, wird die WM 2026 ziemlich sicher sein Turnier, ehe die Karten neu gemischt werden könnten.
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Alexander Nübel
Während es für ter Stegen im DFB-Dress kein Vorbeikommen gab, galt oder gilt selbiges für Alexander Nübel in München. Nun sieht alles danach aus, als müsse sich der 27-Jährige gleich doppelt anstellen. In der Nationalmannschaft hinter ter Stegen und beim FC Bayern vorerst noch hinter Neuer, wenngleich er immerhin bei Leih-Verein VfB Stuttgart auf Spielzeit auf allerhöchstem Niveau kommt.
Nübel wurde bei der EM 2024 aus dem vorläufigen Kader gestrichen, weil ter Stegen, Neuer und Oliver Baumann das Vertrauen erhielten. Kann er seine starke Vorsaison jedoch bestätigen, dürfte er für die kommenden Länderspiele auf jeden Fall eine Einladung erhalten. Tatsächlich ist Nübel die wohl einzige reelle Bedrohung für ter Stegen.
Im Falle eines Karriereendes von Neuer nach der nun beginnenden Bundesliga-Saison könnte Nübel zur Nummer eins beim FC Bayern aufsteigt. Dann wäre der Kampf um den Stammkeeper-Posten bei der WM 2026 wohl offener, als es jetzt anzunehmen ist.
Zwar ist Nübel offiziell bis 2026 an den VfB verliehen, jedoch sollen die Bayern sich mit einer Klausel versichert haben und könnten den Keeper auch 2025 zurückholen. Der Ex-Schalker hat gute Chancen als Nummer zwei zur kommenden WM zu fahren. Für die Nummer-eins-Rolle müsste viel zusammenkommen.
Oliver Baumann
Julian Nagelsmann gab Baumann im Vorfeld der EM 2024 den Vorzug vor Nübel und nahm ihn als Nummer drei mit zum Turnier. Angesichts des Neuer-Rücktritts wäre nun anzunehmen, dass Baumann zur Nummer zwei aufsteigt. Der Schlussmann muss aber eher nach hinten als nach vorne blicken - und das obwohl Baumann statistisch gesehen einer der besten - wenn nicht sogar der beste - Bundesliga-Keeper der Saison 2023/24 war. Dennoch ist er in der Nationalmannschaft nur Dauerreservist - und diesen Status wird er wohl bis zum Ende seiner Karriere nicht los.
Dies ist schon damit begründet, dass er zum einen schon 34 Jahre alt ist und zum anderen bei der TSG Hoffenheim spielt. Baumann wird sich wohl nicht mehr großartig entwickeln und bis zur WM 2026 in den internationalen Wettbewerben keine große Rolle spielen. Demnach ist davon auszugehen, dass Baumann maximal die Nummer zwei, aber eher die Nummer drei bliebt - sofern er sich im DFB-Team halten kann.
Kevin Trapp
Der Frankfurt-Schlussmann nagte während der Verletzung von Manuel Neuer sogar kurzzeitig an der Nummer-eins-Rolle. Trapp spielte grandiose Jahre bei der Eintracht und war mit dem Europa-League-Gewinn auch international erfolgreich.
Dann absolvierte er jedoch eine für seine Verhältnisse unterdurchschnittliche Saison 20223/24 und offenbarte vor allem Probleme in der Strafraumbeherrschung und mit dem Ball am Fuß. Die logische Konsequenz war, dass er von Nagelsmann nicht für die Heim-EM berücksichtigt wurde.
Wie es für Trapp nun weitergeht, hat er vor allem selbst in der Hand. Der 34-Jährige muss zeigen, dass die Vorsaison nur ein Ausrutscher war und die Jahre zuvor sein eigentliches Level darstellen. Gelingt ihm das, kann er an Baumann und vielleicht auch Nübel wieder vorbeiziehen.
Mit Frankfurt wird er jedenfalls international vertreten sein. Ter Stegen herauszufordern, wird aber auch für ihn fast unmöglich. Immerhin ist er sogar zwei Jahre älter als der Barca-Schlussmann.
Stefan Ortega
Stefan Ortega ist bereits 31 Jahre alt und hat noch kein A-Länderspiel absolviert. Der Keeper von Manchester City ist ein absoluter Spätstarter und konnte sich erst mit Ende 20 in Bielefeld in den Vordergrund spielen. Es folgte der völlig überraschende Wechsel auf die Insel zu Top-Klub Manchester City, wo er als klare Nummer zwei hinter Ederson eingeplant war.
Das Wichtigste in Kürze
Doch das änderte sich immer wieder. Zum einen, weil Ederson öfter verletzt ausfiel. Außerdem gab Pep Guardiola, der ein großer Befürworter des Deutschen aufgrund dessen Qualitäten in der Spieleröffnung ist, Ortega die Pokalwettbewerbe, um Spielpraxis zu sammeln.
Unvergessen bleiben Ortegas Weltklasse-Paraden gegen Tottenham im Mai, die Guardiola fassungslos zurückließen. "Er rettet uns - sonst wäre Arsenal Meister", schwärmte Guardiola. "Im eins gegen eins ist Stefan einer der besten Torhüter, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe."
Und tatsächlich: Kurz sah es im Sommer danach aus, als könnte Ortega tatsächlich zur Nummer eins bei ManCity aufsteigen, weil Ederson dem Lockruf des Geldes aus Saudi-Arabien zu erliegen schien - auch, weil er sich mit Guardiola verkracht haben soll. Doch der Transfer kam nicht zustande, die Streithähne versöhnten sich und Ederson ist wieder Stammkeeper bei den "Skyblues". Ortegas Aussichten auf ein zeitnahes DFB-Debüt? Eher schlecht.
Sollten aber Ederson und Manchester City 2025 getrennte Wege gehen und Ortega zur Nummer eins aufsteigen, könnte sich die Lage ändern. Grundsätzlich hat der 31-Jährige mit seiner Ruhe, seiner Konstanz und seinen Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins und mit dem Ball am Fuß durchaus Argumente. International und in puncto Leistungsdruck bei einem Top-Klub ist ihm mittlerweile wohl nur ter Stegen voraus.
Er könnte am Ende ter Stegens größter Konkurrent um den Stammplatz bei der WM 2026 sein - und das, ohne bis dato ein einziges Länderspiel bestritten zu haben.
Noah Atubolu
Noah Atubolu kommt aus einer ganz anderen Torhüter-Generation als die zuletzt genannten Keeper. Der Freiburger ist erst 22 Jahre alt und vor einem Jahr zur Nummer eins aufgestiegen.
Der gebürtige Breisgauer zählt schon seit Jahren zu den größten Torhüter-Talenten in Deutschland. Folgerichtig hat er auch zahlreiche Junioren-Länderspiele von der U17 bis zur U21 absolviert. Alleine für die U21 stand er 14-mal zwischen den Pfosten.
Der Weg des Torwart-Talents wird wohl früher oder später in die A-Nationalmannschaft führen. Seine Anlagen geben dies voll und ganz her. Noch muss sich Atubolu aber wohl ein wenig gedulden. In seiner ersten Saison als Bundesliga-Stammkeeper hatte der Youngster noch den ein oder anderen krassen Fehler drin, steigerte sich aber merklich und spielte am Ende eine gute Rückrunde.
Im Hinblick auf 2026 wäre eine Kader-Nominierung durchaus denkbar, sollte seine Entwicklung weiter positiv verlaufen. In fernerer Zukunft kommt Atubolu auch als Nummer eins in Frage.
Diant Ramaj
Diant Ramaj bewegt sich immer ein klein wenig unter dem Radar, weil er in der Eredivisie spielt und sein Klub Ajax Amsterdam jüngst auch nicht mehr an seine Glanzzeiten anknüpfen konnte.
Dennoch muss man den 22-Jährigen absolut auf dem Zettel haben. Ajax hat im vergangenen Sommer fünf Millionen Euro überwiesen, um das Torwart-Talent aus Frankfurt zu bekommen. Ramaj benötigte dann auch nur wenige Monate, um zur Nummer eins aufzusteigen.
Unglücklicherweise wurde der deutsche Junioren-Nationalkeeper von einer Ellenbogenverletzung zurückgeworfen und hat das Ende der vergangenen Spielzeit verpasst. Bei den Europa-League-Quali-Spielen stand zuletzt Remko Pasveer im Tor, jedoch dürfte Ramaj den 40 Jahre alten Rivalen schon bald wieder verdrängen.
Ähnlich wie Atubolu hat Ramaj in Bezug auf 2026 maximal die Chance in den Kader zu rücken. Für eine Nummer-eins-Rolle steht er erst in ferner Zukunft zur Debatte.
Jonas Urbig
Jonas Urbig ist mit seinen 21 Jahren sogar noch ein wenig jünger als Atubolu und Ramaj. Im Gegensatz zu den beiden anderen Hoffnungsträgern hat er auch noch keine Saison als Erstliga-Keeper absolviert. An Talent mangelt es Urbig allerdings ganz sicher nicht. Dies hat er bereits in der vergangenen Saison als Leihspieler bei Greuther Fürth eindrucksvoll gezeigt.
Nun steht Urbig vor der schweren Aufgabe, seinen Stammverein, den 1. FC Köln, mit starken Leistungen zurück in die Bundesliga zu führen. Bedeutet in einem so energiegelandenen und emotionalen Umfeld wie der Domstadt: Maximaler Druck.
Der Saison-Auftakt verlief für Urbig nicht unbedingt glänzend: Im Spiel gegen den HSV sah er bei einem Gegentreffer äußerst schlecht aus.
Noch ist schwer abzuschätzen, wohin die Reise geht. Das Turnier 2026 dürfte für den talentierten Schlussmann zu früh kommen. Langfristig ist er aber schon einer, dem man eine große Rolle in der Nationalmannschaft zutrauen darf.
Felix Gebhardt
Der Name Felix Gebhardt ist vermutlich noch nicht jedem geläufig, wobei die Betonung dabei auf dem "noch" liegt. Der 22-Jährige hat von der U16 bis zur U20 alle deutschen Junioren-Auswahl-Teams durchlaufen und unter anderem für die U20 vier Spiele gemacht.
Gebhardt steht beim Zweitliga-Aufsteiger Jahn Regensburg im Kasten und nun die Gelegenheit, für Schlagzeilen zu sorgen. Dass er hochtalentiert ist, bewies er bereits bei der Pokal-Sensation gegen den VfL Bochum, als er dem Jahn mit zwei Weltklasse-Paraden den Sieg rettete.
Er ist definitiv ein Kandidat, den man langfristig im Auge behalten muss. Wenn auch eher in Bezug auf die EM 2028 und die Turniere danach.