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Kretzschmar schlägt Alarm: "Der Tod unserer Sportart"
Mehr Investitionen, innovative Wege und ein Umdenken im "enttäuschenden" Ticketing: Der ehemalige deutsche Handball-Nationalspieler Stefan Kretzschmar hat zum Rundumschlag gegen die eigene Sportart ausgeholt. Im Interview mit Sport1 zeigte der Sportvorstand von Bundesligist Füchse Berlin deutliche Defizite im Handball auf, angefangen mit dem ausbleibenden Zuschauerandrang bei der aktuell stattfindenden Weltmeisterschaft. "Wenn auch bei diesem Turnier die Alarmglocken bei den Verantwortlichen nicht angehen, dann weiß ich auch nicht", sagte Kretzschmar.
"Insbesondere Norwegen und Kroatien enttäuschen da gerade, wenn der Gastgeber nicht spielt", beklagte Kretzschmar, "es gibt jedes Jahr die gleichen Rufe, wenn Welt- oder Europameisterschaften nicht gerade in Deutschland stattfinden oder mit Deutschland als Co-Gastgeber."
Die Entwicklung, dass in den kommenden Jahren diverse Turniere in Deutschland ausgetragen werden, sei "katastrophal und auch nicht gut, dass man sich darüber freut, weil es die Internationalität unserer Sportart immer mehr gefährdet", kritisierte Kretzschmar. Die WM 2027 und 2029 sowie die EM 2032 wurden gänzlich oder in Teilen nach Deutschland vergeben. Ende 2025 findet zudem die Frauen-WM hierzulande statt.
Kretzschmar fordert ein Umdenken im Weltverband IHF. Eine WM hin und wieder etwa nach Afrika, Asien oder Süd- und Mittelamerika zu vergeben, sei wichtig, um Interesse an der europäisch dominierten Sportart zu wecken und Aufmerksamkeit von Sponsoren auf den Handball zu ziehen.
"Vor Ort muss dann mit Freikarten gearbeitet werden, um die Hallen voll und unseren Sport populär zu machen. Das ist für mich der einzige innovative Weg, um global überhaupt in Erscheinung zu treten", bekräftige der 218-malige Nationalspieler. Sollten im Handball keine "grundlegenden internationalen Visionen" entstehen, erwartet Kretzschmar "ein Riesenproblem".
Auch bei der jüngeren Generation will der 51-Jährige den Sport beliebter machen und hat dazu Ideen. "Ein hochwertiges Konsolenspiel, ein hochwertiges Managerspiel, ein hochwertiges Tippspiel - das sind drei Bausteine, über die man Identifikation bei jungen Leuten schaffen kann", erklärte er.
Zum Vorbild nimmt er sich Golf, Tennis und die Formel 1, die etwa durch Netflix-Serien einen neuen Aufschwung erlebten. "Das, was auf dem Spielfeld passiert, ist das eine. Aber Identifikation schaffst du über persönliche Bindungen. Wir haben ja gute Typen und Aushängeschilder in unserer Sportart, nicht nur in Deutschland", sagte Kretzschmar.
Sollten Innovationen in allen Bereichen ausbleiben, so glaubt er: "Das wird nicht funktionieren und der Tod unserer Sportart sein."