Motorsport DTM
"Ansage" trotz Teamorder-Verbot: Musste Wittmann Rast den Sieg schenken?
Marco Wittmanns Miene nach dem Samstagsrennen der DTM in Spielberg sagte alles: Der Schubert-BMW-Pilot, war nach Platz zwei hinter seinem Teamkollegen Rene Rast alles andere als happy. Und deutet an, dass der BMW-Platztausch in der dritten Runde vor der dritten Kurve nicht freiwillig war. "Wir haben beim Rennstart die Führung verteidigt", sagt der Pole-Setter. "Und ich denke, den Rest hat man im TV gesehen, also gibt es nicht viel zu sagen."
Später wird er auf Nachfrage von Motorsport-Total.com konkreter. "Die Konstellation war nicht ideal heute", so Wittmann, dessen Teamkollege nun die Führung in der Gesamtwertung übernahm, über die Situation im Titelkampf. "Wir haben ein paar Punkte herschenken müssen und hergeben müssen aus gewissen Gründen."
Ein Fahrfehler sei jedenfalls nicht der Grund gewesen, warum Rast nach der ersten Kurve hinauf zur dritten Kurve vorbeikam. "Ich hatte einen guten Ausgang aus Kurve 1, ja", sagt er - und macht eine Denkpause. "Ich glaube, es gibt nicht viel zu sagen. Ich hatte gute erste Runden."
Teamchef Schubert gibt zu: "Das war eine klare Ansage"
Auch die Beobachtung, dass er nach dem Platztausch das Tempo Rasts nicht halten konnte, will er so nicht stehen lassen. "Nö, ich hatte eine gute Pace", sagt er. "Von meiner Seite war alles perfekt."
All das ist noch kein Beweis für eine Teamorder, die in der DTM verboten ist und mit einer saftigen Geldstrafe von 250.000 Euro geahndet wird. Interessant ist aber, dass Teamchef Torsten Schubert nicht mal bestreitet, dass es eine Ansage gab.
"Wir müssen natürlich hier jeden Punkt mitnehmen und da ist es so, dass Rene ein bisschen vorne war in der Meisterschaft. Sie sollten nicht miteinander kämpfen, das war eine klare Ansage", so Schubert nach dem Rennen bei ran.de.
Schubert erklärt Wittmanns Aussagen mit "Enttäuschung"
Auf Nachfrage von Motorsport-Total.com bleibt Schubert bei seiner Aussage, ergänzt aber, dass das aus seiner Sicht keine Teamorder sei. "Nein", so Schubert. "Der, der schneller ist, geht vorbei. Es wird nicht miteinander gekämpft, weil wir brauchen den Abstand nach hinten", verweist er auf Emil-Frey-Ferrari-Pilot Jack Aitken, der auf Platz drei in Lauerstellung war.
Dass Wittmann selbst sagt, es habe nicht an seinem Tempo gelegen, sondern an "gewissen Gründen", warum er die Position gegen Rast verlor, führt Schubert auf dessen "Enttäuschung" zurück. "Hinterher waren auf einmal fast drei Sekunden Abstand, also muss die Pace ganz gut gewesen sein", verteidigt er den späteren Sieger Rast.
Zudem gehe es um die Teamwertung: "Jetzt ist es einfach wichtig - und da kann jeder drüber denken, wie man will ... Es wird jeder versuchen, das Auto, das vorne ist, weiter vorne zu lassen. Es ist legitim, dass man versuchen muss, jetzt die Meisterschaft zu sichern." Abgesehen davon "würde dich jeder als Trottel hinstellen, wenn man als Teamkollegen gegeneinander kämpft, oder?", so Schubert.
Nach Untersuchung: Wieso der DMSB nicht aktiv wird
Dass es in der DTM trotz des Teamorder-Verbots Wege gibt, die Fahrer dazu zu bringen, eine Team- oder Herstellertaktik umzusetzen, ist bekannt. Denn was hinter verschlossenen Türen gesprochen wird, ist nur in seltenen Fällen nachweisbar.
Laut Informationen von Motorsport-Total.com führte der Vorfall bei Schubert aber dazu, dass sich der Deutsche Motor-Sport-Bund (DMSB), der für die Einhaltung der Regeln zuständig ist, die Angelegenheit genau anschaute. Und auch Schuberts Aussage, es habe eine Ansage gegeben, erhärtete den Verdacht auf eine verbotene Teamorder.
Dennoch wurde entschieden, es nicht auf ein Verfahren ankommen zu lassen. "Die Beweislage muss in so einem Fall wasserdicht sein, damit es nicht nur in der Verhandlung mit den Sportkommissaren, sondern auch vor einem möglichen Berufungsgericht, zu dem es sicher kommen würde, eindeutig ist", erklärt ein DMSB-Sprecher die Entscheidung.
"Dafür waren uns die Statements in den Medien, die wir natürlich wahrgenommen haben, nicht hieb- und stichfest genug. So haben wir natürlich auch die Funksprüche des Teams genau geprüft und haben keinerlei Hinweise gefunden, die ein Verfahren rechtfertigen würden."
Keine verdächtigen Funksprüche an Rast oder Wittmann
Tatsächlich wurden per Funk keine Auffälligkeiten wahrgenommen: Obwohl es Gerüchte gibt, wonach der Platztausch sogar von Wittmanns Renningenieur angeordnet wurde, hatte Motorsport-Total.com Einsicht in die Funkprotokolle beider Schubert-BMW-Piloten mit ihren Renningenieuren. Und in beiden Fällen gibt es keinerlei verdächtige Funksprüche.
Auch für Wittmanns starkes Tempo gibt es keine klaren Belege, denn Rast saß seinem Schubert-BMW-Teamkollegen von Beginn an im Genick und setzte sich nach dem Überholmanöver klar ab. Zudem wurde Wittmann beim Boxenstopp von Aitken überholt. Nur durch den Patzer des Emil-Frey-Ferrari-Piloten wenige 100 Meter vor dem Ziel kam Wittmann noch auf Platz zwei nach vorne.
Und dann war da noch die Situation am Sachsenring, als Rast Wittmann in der Endphase des Rennens vorbeiließ, weil dieser schneller war und die besseren Reifen hatte. Und auch zu diesem Zeitpunkt war Rast in der Meisterschaft bereits in der besseren Position, wodurch die Bevorteilung des besserplatzierten Piloten in der Gesamtwertung nicht eindeutig nachweisbar wäre.
Wieso der Teamorder-Paragraf keine Hilfe war
Auch der Teamorder-Paragraf, der von den Verantwortlichen in Hinblick auf ein mögliches Verfahren, macht die Aufgabe nicht einfacher. In Artikel 20.2 heißt es, dass "Vereinbarungen zwischen Herstellern beziehungsweise Bewerbern (Teams) und Fahrern, die vorsehen, dass der Hersteller beziehungsweise Bewerber dem Fahrer für sein Verhalten während eines Qualifyings oder Wertungsläufen direkte oder indirekte Weisungen erteilen kann, die den Fahrer im sportlichen Wettbewerb beschränken", verboten sind.
Eine entsprechende Vereinbarung, die zu einer Weisung berechtigt, wäre zum Beispiel ein Vertrag, in dem steht, dass sich ein Fahrer oder Team einem Herstellerbefehl unterordnen muss. Auch diesbezüglich war man skeptisch, ob die Belege einem Verfahren standhalten.