Motorsport Formel 1
Rätseln über Verstappen-Gerüchte: Ab wann greifen seine Ausstiegsklauseln?
Zak Brown, der CEO des in der Weltmeisterschaft führenden McLaren-Teams, ist immer für eine Schlagzeile gut. So auch Mitte März, als er in einem Interview mit dem englischen Telegraph sagte, er gehe von einer Trennung zwischen Max Verstappen und Red Bull aus: "Ich glaube, er wird am Ende dieses Jahres gehen. Wahrscheinlich zu Mercedes."
Es ist nur etwas mehr als drei Jahre her, dass Verstappen in seinem legendären Boxenfunk nach dem gewonnenen Finalthriller in Abu Dhabi 2021 im Überschwang der Emotionen sein Red-Bull-Team gefragt hat: "Können wir das bitte noch weitere zehn, 15 Jahre zusammen machen?" Doch seither hat sich die Situation verändert. Und auch wenn Verstappen einen Vertrag bis Ende 2028 unterschrieben hat, gibt es einige im Paddock, die sich vorstellen können, dass er diesen nicht erfüllen wird.
Anfang 2024, als Red-Bull-intern die Horner-Affäre brodelte und Max' Vater Jos öffentlich davon sprach, dass das Team "explodieren" könnte, ging viel von dem kaputt, was Verstappen einst am Boxenfunk in Abu Dhabi beschworen hatte. Mercedes-Teamchef Toto Wolff rollte den Verstappens den roten Teppich aus, indem er zum Beispiel sagte: "Das ist eine Beziehung, die muss irgendwann einmal passieren! Aber wir wissen nicht wann."
Ralf Schumacher: "Glaube, Max wird das Team verlassen"
Heute, ein paar Monate später, ist Verstappens RB21 seiner eigenen Aussage nach nur noch das viertbeste Auto im Feld. Weshalb auch Ralf Schumacher glaubt, dass im Hintergrund tatsächlich über einen Wechsel nachgedacht wird: "Ich glaube, Max wird das Team verlassen. Vor allem dann, wenn nicht in den nächsten zwei, drei, vier Rennen was passiert. Weil dann wird die Entscheidung fallen", sagt der Sky-Experte in einem aktuellen Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.
Im Winter machte die Story Schlagzeilen, wonach nicht nur Mercedes Verstappen holen wolle, sondern auch Aston Martin. Lawrence Stroll soll versuchen, eine Milliarde Pfund aufzustellen, um den derzeit wahrscheinlich besten Formel-1-Fahrer der Welt zu holen. Adrian Newey, den langjährigen Stardesigner von Red Bull, hat er schon. Doch Zak Brown glaubt, dass die Chancen der Aston-Martin-Wette für Verstappen nicht groß genug sind, um das Risiko wirklich einzugehen.
Der McLaren-CEO sagt: "Wenn ich wetten müsste, würde ich auf Mercedes setzen. In den letzten zehn Jahren haben sie sieben- oder achtmal die WM gewonnen. Letztes Jahr haben sie fünf Rennen gewonnen. Sie haben Stabilität. Wir wissen, dass Toto ihn mag. Und ich glaube, wir sind uns alle einig, dass Mercedes auf der Motorenseite am besten auf die neuen Regeln ab nächstem Jahr vorbereitet ist. Außerdem läuft Russels Vertrag am Ende der Saison aus, und Antonelli wird eine Reihe von Einjahresverträgen bekommen."
Doch Verstappen und Mercedes, das ist - zumindest von außen betrachtet - kein Selbstläufer. Verstappen weiß genau, wie viel er wert ist - und kann sich eigentlich bei Stroll dafür bedanken, dass dieser seinen Wert sogar noch höher treibt. Gleichzeitig hat Mercedes-Shareholder INEOS wirtschaftlich schon mal bessere Zeiten erlebt. Wenn Verstappen zu Mercedes wechselt, dann also eher nicht des Geldes wegen.
Mercedes: Lockt die beste Powerunit?
Sondern wegen der Annahme, dass dort für 2026 die besten Powerunits der Formel 1 gebaut werden. Red Bull fährt ab 2026 nicht mehr mit Honda-PS, sondern mit einem Motor der Eigenmarke Red Bull Powertrains. Auf den kommt ein Aufkleber von Ford. Und hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass der Red-Bull-Powertrain im Vergleich zum Mercedes-V6 technologisch im Rückstand sein soll.
Bei Red Bull hat man das Thema im Grunde genommen selbst in der Hand. Gelingt es dem Team, den RB21 wieder zu einem Siegerauto zu machen, wird Verstappen den Wunsch, den Arbeitgeber zu wechseln, weniger ausgeprägt verspüren. "Natürlich hat jeder Topfahrer eine Ausstiegsklausel, wenn die Performance nicht stimmt", sagt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.
Diese Klauseln seien zwar "derzeit kein Thema", versichert der 81-jährige Österreicher - und verrät nicht, unter welchen Bedingungen Verstappen aus seinem Vertrag aussteigen könnte. Die Vermutung, dass es irgendwas damit zu tun hat, wie (messbar) erfolgreich Red Bull bis zur Sommerpause ist, liegt aber nahe. "Das ist das Zeitfenster", nickt Marko, relativiert jedoch die Aufregung: "Bitte, wir sind WM-Zweiter mit acht Punkten Rückstand!"
Klar ist, dass Red Bull den RB21 verbessern muss, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Verstappen andere Angebote ernsthaft in Betracht zieht, auf ein Mindestmaß reduziert werden soll. Marko stellt in diesem Zusammenhang klar: "Die Updates sind notwendig, damit Max seinen fünften WM-Titel einfährt. Das ist unser großes Ziel. An dem arbeitet das gesamte Team mit aller Kraft." Das sei sogar wichtiger als die Konstrukteurs-WM, wie Marko auf konkrete Nachfrage unterstreicht.
Eine verständliche Position. Red Bull hat auch 2024 die Konstrukteurs-WM nicht gewonnen, wird aber dank Verstappens Fahrertitel trotzdem als das Siegerteam der Saison wahrgenommen. Ein fünfter Fahrertitel hintereinander mit Verstappen wäre hingegen ein neuer Meilenstein im Red-Bull-Universum. Selbst die legendäre Titelserie mit Sebastian Vettel, die von 2010 bis 2013 andauerte, endete nach vier Jahren.
Verstappen sei, das weiß Marko, "ein ganz wichtiger Bestandteil in unserem Team. Es war nur er, der im Vorjahr den Titel einfahren konnte. Momentan ist er ganz klar der Beste, wenn nicht unter den Allerbesten. Und es ist ganz klar, dass wir ihn halten wollen. Aber dazu muss das Auto ja entsprechend gut sein. Und so, wie das jetzt ausschaut, gibt es keinen Grund - auch keinen vertraglichen -, dass er uns verlassen würde mit Jahresende."
Eine Aussage, die zwischen den Zeilen Raum für Interpretationen lässt. Bedeutet das, dass Verstappens Ausstiegsklauseln nicht greifen, solange er weniger als X Punkte Rückstand auf den Führenden in der Fahrer-WM hat? Dass er nicht gehen darf, solange er in den Top 3 der Gesamtwertung liegt? Darüber kann nur spekuliert werden. Und das wird wohl so lange weitergehen, wie Red Bull nicht aus eigener Kraft siegfähig ist ...