Nach Roter KArte für den Torwart des FC Bayern München
FC Bayern München: Diskussionen um Manuel Neuer "Kann das Gerede nicht mehr hören!"
- Aktualisiert: 18.12.2024
- 09:59 Uhr
- Christian Stüwe
Nach dem Patzer von Manuel Neuer im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen bahnt sich beim FC Bayern München eine Torwartdiskussion an. Sehr zum Unverständnis von Jörg Stiel, der im ran-Interview eine Lanze für den ehemaligen Welttorhüter bricht.
Der FC Bayern München ist am Dienstagabend durch die 0:1-Niederlage gegen Bayer Leverkusen im Achtelfinale des DFB-Pokals ausgeschieden.
Schlüsselszene des Spiels war der Platzverweis gegen Manuel Neuer in der 17. Minute nach einer Notbremse gegen Jeremie Frimpong.
Außerhalb des eigenen Strafraums räumte der 38-jährige Torwart den Leverkusener Stürmer mit einem Bodycheck ab. Schiedsrichter Harm Osmers stellte Neuer daraufhin vom Platz, am Donnerstag wurde er für zwei Spiele im DFB-Pokal gesperrt.
Nach dem ersten Platzverweis seiner langen Karriere begannen direkt hitzige Diskussionen unter Fans und Experten, was die Zukunft Neuers angeht.
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Im Interview mit ran ordnet der frühere Schweizer Nationaltorhüter Jörg Stiel, der in seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach zum Kultspieler wurde, die Lage ein.
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Neuer-Diskussion bei Bayern "langweilig, wie ein leeres Blatt Papier"
ran: Jörg Stiel, wie haben Sie die Szene mit Jeremie Frimpong gesehen, die zur Roten Karte für Manuel Neuer geführt hat?
Jörg Stiel: Man muss das ein bisschen differenzieren. Die eine Seite ist die Sicht des Schiedsrichters, der davon ausgeht, dass Frimpong einen direkten Weg zum Tor gehabt hätte (Hier geht's zur offiziellen DFB-Stellungnahme). Wenn man dann sieht, wie Manuel direkt in ihn reingeknallt ist, kann man die Rote Karte geben. Man muss es aber nicht. Weil Laimer und Upamecano auf der gleichen Höhe sind und Frimpong durch die Präsenz von Neuer und Laimer den Ball mit der Brust zur Seite mitnimmt, ist er eigentlich nicht auf direktem Weg zum Tor. Vor allem weil Laimer auf seiner linken Seite ist. Es waren noch zwei, drei Spieler drumherum, deshalb muss es nicht unbedingt eine Rote Karte sein.
ran: Also eine Fehlentscheidung?
Stiel: Es ist sicherlich keine klassische Fehleinschätzung, aber eine Gelbe Karte hätte wahrscheinlich gereicht. Es ist ein Pokalspiel zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen und als Schiedsrichter läufst du mit der Roten Karte Gefahr, das Spiel zu beeinflussen, weil es sehr früh in der Partie war. Das hätte man mit etwas Fingerspitzengefühl auch anders regeln können. Schiedsrichter sind auch Menschen - auch die vom VAR - und das war eine relativ komplexe Geschichte. Zu verlangen, dass sie eine Situation wie diese aus der Sicht des Fussballers oder Torhüters verstehen, ist wahrscheinlich zu viel des Guten! Eine Gelbe Karte wäre für mich aber die bessere Lösung gewesen, auch wenn das die Leverkusener mit Sicherheit nochmals anders sehen.
ran: Aber Manuel Neuer kommt in der Situation zu spät?
Stiel: Natürlich kommt er zu spät! Aus meiner Sicht war es so, dass der Ball lange unterwegs war und Neuer einen Moment gezögert hat. Er hatte wahrscheinlich auch gesehen, dass Laimer und Upamecano in der Nähe sind und hätte sich fallen lassen können. Das ist immer das Problem, wenn ein Torwart offensiv spielt. Und das macht Neuer nach wie vor. Das hat auch nichts mit seinem Alter zu tun. Ich kann das Gerede über sein Alter nicht mehr hören. Das ist so langweilig wie ein leeres Blatt Papier. Ich glaube, er hat einfach damit gerechnet, dass der Ball etwas höher abspringt. Dann wäre er mit dem Kopf dagewesen. Er hat sich verschätzt. Durch die Präsenz von Laimer und Upamecano hat er wahrscheinlich einen Moment gezögert. Aber das ist natürlich extrem schwierig, weil alles sehr schnell geht. Im Normalfall denkt man sich dann als Torhüter: Durchziehen, den kriege ich schon! Grundsätzlich bleibe ich aber weg, wenn noch meine Verteidiger unmittelbar dabei sind.
Manuel Neuer beim FC Bayern: "Das ist das, was mich stört!"
ran: Also sehen Sie keinen großen Fehler bei Manuel Neuer?
Stiel: Vom Torhüter-Spiel her steht er nicht zu hoch, eher etwas zu tief für mich, weil der Ball aus der Hälfte der Leverkusener geschlagen wird und dadurch lange unterwegs ist. Wahrscheinlich hätte er den Ball gehabt, wenn er höher gestanden wäre. Dadurch, dass er tiefer steht, hat er mehr Zeit, die Situation mit den zwei Referenzpunkten Laimer und Upamecano zu beurteilen. Natürlich ist es ein Fehler; er berührt den Ball nicht und kollidiert mit Frimpong. Es wäre nochmal eine andere Geschichte gewesen, wenn Frimpong alleine in einer Eins-gegen-Eins-Situation auf ihn zugelaufen wäre. Im Nachhinein sind wir alle immer gescheiter…
ran: Nun wird wieder viel diskutiert, weil Manuel Neuer solche Bälle früher meistens klären konnte…
Stiel: Und das ist genau das, was mich stört. Das Gerede über früher. Wir haben alle noch das Achtelfinale gegen Algerien im Kopf, als Deutschland 2014 Weltmeister geworden ist. Da hat Neuer Kopf und Kragen riskiert. Er hätte auch damals schon vom Platz fliegen können. Was wäre gesagt worden, wenn Neuer gegen Algerien eine Rote Karte gesehen hätte? Damals hat einfach alles gepasst. Und das auf dem Niveau. Neuer hat 866 Profi-Spiele ohne Platzverweis gespielt.
Wenn du als Torwart, aufgrund deines Alters vielleicht etwas an Schnelligkeit verlierst, kannst du es mit Stellungsspiel wettmachen. Das kannst du mit Erfahrung kompensieren, mit deinem Instinkt und aus der Antizipation heraus. Im Alter von 35 Jahren bin ich nicht mehr immer auf solche Bälle gegangen, weil ich wusste, dass das kompliziert werden kann. Oder ich bin höher gestanden, weil ich wusste, dass die gegnerischen Mannschaft viele Bälle in die Tiefe spielt und bin bewusst das größere Risiko eingegangen. Das hat nichts mit Neuers Alter zu tun. Mit seiner Erfahrung ist er in der Lage zu kompensieren, was vielleicht mit der Dynamik nicht mehr geht.
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Neuer-Zukunft beim FC Bayern: "Er muss das adaptieren"
ran: Also haben Sie kein Verständnis für die Kritik?
Stiel: Ich bin überzeugt, dass Neuer mit seiner Qualität, mit seiner Erfahrung, mit alldem, was er mitbringt, problemlos noch spielen kann. Wenn vielleicht auch etwas defensiver, weil die Geschwindigkeit der Jungs um ihn herum immer größer wird, während er altersbedingt langsamer wird. Er muss das ein bisschen adaptieren, das reicht. Er wird immer diesen Spielstil haben und das finde ich gut. Ich möchte mal irgendeinen anderen Torwart sehen, der mit so viel Risiko spielt und nach 866 Spielen zum ersten Mal vom Platz fliegt. Man muss auch den nötigen Respekt davor haben, was Manuel Neuer geleistet hat. Ich finde dieses ewige Schwarz-Weiß-Gerede unsäglich und erbärmlich von Menschen, die nie im Tor gestanden sind. Man vergisst allzu schnell, wer der da im Tor steht!
ran: Hätte der FC Bayern vielleicht doch Ihren Landsmann Yann Sommer halten sollen, um Neuer mehr Konkurrenz zu machen?
Stiel: Es gibt Geschichten, die passen vielleicht zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach nicht. Aufgrund der Menschen oder des ganzen Kontexts. Wenn du nach acht Jahren Gladbach zu Bayern gehen kannst, musst du das einfach machen. Aber Bayern und Yann – das hat für mich nicht gepasst. Yann hat gezeigt, dass er noch immer auf konstant hohem Niveau spielen kann, entgegen dem was in Deutschland gesagt wurde. Er wurde jetzt als Schweizer bei Inter Mailand zum besten Torwart der italienischen Liga gekürt. Aber perspektivisch wäre Yann mit seinen 35 Jahren keine Zukunftslösung für den FC Bayern gewesen. So wie jetzt die jüngeren Daniel Peretz oder Alexander Nübel, die für diesen Posten gehandelt werden.
ran: Ist Nübel für Sie die Zukunftslösung für den FC Bayern auf der Torhüter-Position?
Stiel: Ich glaube schon, dass er das sein kann. Nübel hat bei den Bayern einen Vertag bis 2029 und ist noch bis 2026 an den VfB Stuttgart ausgeliehen. Er hat auch schon in der Nationalmannschaft gezeigt, dass er eine Alternative sein kann. Warum also nicht bei Bayern München? Er gehört ihnen doch schon. Marc-André ter Stegen fällt noch ein paar Monate aus, Bundestrainer Julian Nagelsmann wird sich im Frühling auf Nübel festlegen. Und das gab es doch schon häufiger, dass der deutsche Nationaltorwart beim FC Bayern gespielt hat. Warum also nicht Nübel? 2026, nach der WM wäre ein guter Zeitpunkt! Für Neuer, um aufzuhören und für Nübel, um zu beginnen. Aber ich werde selbstverständlich meinem Freund Max Eberl sicher nicht in die Kaderplanung reinreden! (lacht)
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