Offensiv-Power ohne den Youngster
FC Bayern München: Wo ist noch Platz für Jamal Musiala?
- Veröffentlicht: 15.10.2025
- 23:00 Uhr
- Martin Jahns
In Abwesenheit des Langzeitverletzten Jamal Musiala blüht die Offensive des FC Bayern rekordträchtig auf. Ist der 22-jährige Superstar hinter den "Fab Four" im Bayern-Angriff bei seiner Rückkehr nur noch fünftes Rad am Wagen?
Von Martin Jahns
Der FC Bayern München ist auf Rekordjagd – und schafft sich dadurch wohl ein Luxusproblem.
Angeführt von einer furiosen Offensive stürmten die Münchner zur perfekten Bilanz von zehn Pflichtspielsiegen. 25 Tore in den ersten sechs Ligaspielen sind ewiger Bundesliga-Rekord, und auch Harry Kanes elf Bundesliga-Tore so früh in der Saison gab es noch nie.
"Es ist momentan besonders, Teil des Teams zu sein", schwärmte Leader Joshua Kimmich kürzlich vom Teamgeist, der sich insbesondere zur Klub-WM verfestigt habe.
Doch während die Bayern sich an sich selbst berauschen, muss ein Hoffnungsträger des Klubs seit Monaten seinen Teamkollegen beim Jubeln zuschauen: Jamal Musiala.
Für ihn wurde die Klub-WM zum persönlichen Albtraum, als er sich bei einem Zusammenprall mit Gianluigi Donnarumma das Wadenbein brach. Mit einer Rückkehr auf den Platz ist frühestens Ende des Jahres zu rechnen.
Jamal Musiala: "Man lernt viele Sachen während einer Verletzung"
Musiala selbst kündigte ein starkes Comeback bereits an. "Ich glaube, man lernt viele Sachen während einer Verletzung", sagte er den vereinseigenen Medien: "Ich sehe zum Beispiel, wie viel Spaß man sonst hat und wie sehr ich den Fußball liebe. Und man hat Zeit in Ruhe zu gucken, was man alles besser machen kann. Auf dem Platz hat man diese Zeit ja nicht, über alles nachzudenken. Und natürlich will ich noch besser zurückkommen."
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Derzeit sei er "fast die ganze Zeit mit meiner Familie zusammen". Zusätzlich unterstützen er und der ebenfalls verletzte Alphonso Davies sich gegenseitig in der Reha: "Wir sehen uns jeden Tag und versuchen, gegenseitig die Motivation aufrechtzuerhalten."
Im Moment sehe er, "wie gut wir gerade spielen, wie viel Spaß sie alle haben. Ich möchte Teil davon sein und wieder auf dem Platz stehen", erklärte der dribbelstarke Offensivspieler. Aber in welcher Rolle kann er zurückkehren?
Serge Gnabry und Harry Kane dominieren im Zentrum
Weil im Sommer neben Musialas Ausfall auch Florian Wirtz den Bayern einen Korb gab und die Offensive seitdem lediglich mit zwei Spielern verstärkt wurde, stand der Bayern-Saisonstart eigentlich unter keinem guten Stern.
Doch Trainer Vincent Kompany gelang das Kunststück, die Offensive ohne Zauberfuß Musiala sogar noch schlagkräftiger zu machen.
Im zentralen offensiven Mittelfeld vertraut er auf Serge Gnabry. Und der 30-Jährige, der im Frühjahr noch als Verkaufskandidat galt, blüht mit drei Toren und drei Assists in sechs Ligaspielen auf.
Die Rolle des zentralen Spielgestalters teilt er sich mit Harry Kane, der sich immer wieder für den Spielaufbau zurückfallen lässt, ohne dass seine Torquote darunter leidet – im Gegenteil.
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Europas formstärkste Flügelzange
Auf den Flügeln wiederum haben die Bayern derzeit das vielleicht formstärkste Flügelduo Europas aus Neuzugang Luis Diaz und Michael Olise. Beide vereinen Torgefahr, Tempo und starkes Gegenpressing. Seine Kritiker hat 70-Millionen-Mann Diaz mit fünf Toren und vier Assists in sechs Ligaspielen längst zum Schweigen gebracht.
Olise kommt in der Liga ebenfalls schon auf sechs Torbeteiligungen, glänzte aber noch mehr in der Champions League mit einem Tor und drei Assists in zwei Spielen.
Egal, wen man sich aus dem Offensivquartett herauspickt: Die Zahlen sind beeindruckend. Noch beeindruckender ist aber, welche Dominanz, Kaltschnäuzigkeit und Schönheit das Bayern-Angriffsspiel im Zusammenspiel der Vier entwickelt.
Harry Kanes Blessur ist ein Warnschuss
Neben all der Rekorde ist das die vielleicht größte Heldentat dieser neuen Bayern-Offensive: einen Superstar wie Jamal Musiala sportlich vergessen zu lassen.
Können die Bayern also auch ohne Musiala? Jein.
Sorgen muss sich der Youngster um seine Rolle im Team perspektivisch nicht. Noch immer ist die Personaldecke in der Offensive beängstigend dünn.
Die Knöchelblessur von Harry Kane beim 3:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt vor der Länderspielpause war ein erster Warnschuss. Einen gleichwertigen Ersatz für das Offensiv-Quartett gibt es derzeit im Kader nicht.
Als Kompany die Bayern-Startelf beim Sieg gegen Hoffenheim am 4. Spieltag umstellte und Nicolas Jackson für Gnabry sowie Lennart Karl für Olise von Anfang an brachte, kamen die beiden Backups über ordentliche Ansätze nicht hinaus.
Und: Keiner der aktuellen Bayern-Offensive bringt die Dribbling-Qualität auf engstem Raum eines Musiala mit, die insbesondere gegen tieferstehende Gegner zum Dosenöffner werden könnte.
Jamal Musiala: Mehr Konkurrenz - weniger Druck
So ist die aktuelle geballte Offensiv-Power für ihn sogar eine Chance: Wenn Kane und Co. ihre Topform bis Ende des Jahres halten können, erleichtern sie dem 22-Jährigen sogar das Comeback.
Dann müsste er nach seinem Seuchenjahr 2025 mit einem Muskelbündelriss im April und einem Wadenbeinbruch im Juli nicht gleich als Heilsbringer zurückkehren.
Stattdessen könnte ihn Kompany behutsam Spielpraxis aufbauen und Vertrauen in den eigenen Körper zurückgewinnen lassen.
Und dann wird die Personalie Jamal Musiala für den FC Bayern nicht mehr zum Luxusproblem. Dann wäre sie, nun ja: Luxus.