DFB-Pokal
DFB-Pokal: FC Bayern vs. Wiesbaden mit altbekannten Problemen: Die Abwehr ist nicht die größte Sorge
- Aktualisiert: 28.08.2025
- 11:33 Uhr
- Justin Kraft
Der FC Bayern München erreicht die zweite Runde des DFB-Pokals – allerdings deutlich knapper als erwartet. Fünf Erkenntnisse nach der Achterbahnfahrt gegen den SV Wehen Wiesbaden.
Von Justin Kraft
Schon nach wenigen Sekunden war klar: Der FC Bayern München wird den SV Wehen Wiesbaden in der ersten Runde des DFB-Pokals nicht unterschätzen. Luis Diaz tauchte in der ersten Szene des Spiels frei vor Torhüter Florian Stritzel auf – und scheiterte.
Was wäre wohl gewesen, hätte der Kolumbianer bereits so früh die Dämme brechen lassen? Vielleicht wäre es ein ähnlich deutliches Ergebnis geworden wie am vergangenen Wochenende in der Bundesliga gegen Leipzig.
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Doch es kam eben anders. Aus dem Spiel heraus vergaben die Bayern beste Chancen und waren dann darauf angewiesen, dass Harry Kane per Strafstoß für die schmale 1:0-Führung sorgte, die bis zur Pause Bestand hatte.
Im zweiten Durchgang wurde es dann wild. Zwar bauten die Münchner ihre Führung durch Michael Olise aus, doch hinten ließen sie sich zweimal vom Drittligisten abkochen. Schon stand es 2:2. Ehe Kane nach verschossenem Elfmeter dann doch noch für die späte Erlösung sorgte.
Das Wichtigste in Kürze
Es scheint das Drehbuch eines Pokalabends gewesen zu sein, das beim FC Bayern für Sorgenfalten sorgen müsste. Aber ist dem wirklich so? Fünf Erkenntnisse aus der schwierigen Pokalnacht in Wiesbaden.
FC Bayern: Sand im Offensivgetriebe
Dass sie so schwierig war, ist aber nicht vorrangig an der Defensive festzumachen. Das Narrativ nach der zweiten Halbzeit war schon fertig, bevor die Partie überhaupt abgepfiffen wurde: Die Wackelabwehr bleibt das große Problem von Vincent Kompany.
Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die Offensive bleibt das Problem von Vincent Kompany. Denn auch wenn die Bayern in der vergangenen Saison starke Werte im Angriff zu bieten hatten, so waren sie viel zu inkonstant. Immer wieder gab es Spiele wie gegen Feyenoord, Aston Villa, Leverkusen (Hinspiel, Bundesliga), Borussia Dortmund oder auch Celtic Glasgow, in denen die vorletzte oder letzte Aktion zu ungenau war. In denen aus der tollen Offensivanlage viel zu wenig Ertrag mitgenommen wurde.
Bayern kann in den ersten beiden Dritteln und bis zu einem gewissen Punkt auch im Angriffsdrittel überragenden Fußball spielen. Aber wenn es darum geht, den berühmten Sack zu schließen, fehlen zu oft entscheidende Prozentpunkte. Noch bevor Wiesbaden am Mittwochabend sein erstes Tor geschossen hat, hätten die Münchner schon mit drei oder vier Toren führen können.
Dass man mit der offensiven Herangehensweise hinten für den einen oder anderen Konter anfällig ist, überrascht kaum. Das wird sich nicht komplett abstellen lassen. Bayern muss es dennoch schaffen, gerade in solchen Spielen früher deutlich in Führung zu gehen.
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FC Bayern: Defensivprobleme sind nicht systembedingt
Wobei auch dahingehend eine Einschränkung notwendig ist: Die beiden Gegentore gegen Wiesbaden fielen nicht, weil das System von Kompany zu einer dünn besetzten Restverteidigung geführt hätte. Beim ersten Treffer ist es eine Flanke, auf die Jonathan Tah schlecht reagiert.
Eigentlich muss der Innenverteidiger mit herausrücken, um seinen Gegenspieler ins Abseits zu stellen. Doch Tah schläft und hat dann noch das Nachsehen. Ein individueller Fehler. Der zweite Treffer fällt schon eher in die Erzählung des vermeintlich risikoreichen Kompany-Fußballs.
Beim Blick auf die Details wird aber deutlich, dass die Bayern ausreichend Absicherung hatten. Dass Min-jae Kim das Kopfballduell nach dem langen Ball verliert, kann passieren. Was den Münchnern aber nicht passieren darf, ist, dass sowohl Tah als auch Raphael Guerreiro die Tiefe nicht absichern. Beide erkennen den Ernst der Lage zu spät, vertrauen zu sehr darauf, dass Kim den Kopfball gewinnt.
Gerade Guerreiro hatte eine gute Position, um Fatih Kaya noch abzusprinten. Dass der Stürmer überhaupt durchkommt, ist kein Systemproblem, sondern eines der Entscheidungsfindung auf individueller Ebene.
Luis Diaz mit einer Ode an Leroy Sane
Hoffnung macht den Bayern in den ersten Wochen Luis Diaz. Der 28-Jährige konnte seine starken Leistungen in den ersten Spielen auch gegen Wiesbaden wieder bestätigen. Mit Dribblings, klugen Tiefenläufen und einer sauberen Ballbehandlung gibt er dem Spiel eine wichtige Qualität.
Nur erinnerte er mit seinem Auftritt an einen gewissen Leroy Sane, der es auch gut verstand, sich in vielversprechende Abschlusspositionen zu bringen, um sie dann nicht zu nutzen. Diaz vergab teilweise kläglich aus kürzester Distanz, brachte sich und seine Teamkollegen an den Rand der Verzweiflung.
Sieben Abschlüsse hatte er, der Expected-Goals-Wert von 1,23 sieht angesichts der hohen Qualität seiner Chancen aus wie eine Untertreibung. Mindestens zwei Tore hätte er machen müssen – und dann wäre die Diskussion über das Spiel auch eine andere gewesen.
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Nun muss man den Chancenwucher bei Diaz auch nicht zu hoch hängen. Aber auch beim FC Liverpool gab es immer wieder Spiele, in denen er diesen letzten entscheidenden Schritt in Richtung Weltklasse nicht gehen konnte, weil ihm die Nerven im Abschluss versagten.
Um die 75 Millionen Euro Ablöse zu rechtfertigen, muss er gerade in diesem Bereich noch besser werden. Dass es in ihm steckt, hat er aber auch oft genug gezeigt.
Lennart Karl: Ein gutes Tempo für ihn
Besser werden will auch Lennart Karl. Der 17-Jährige feierte in Wiesbaden sein Startelfdebüt. Unter dem Strich bleibt ein meist unauffälliger Auftritt, der aber bis zu seiner Auswechslung gefühlt alle zehn Minuten besser und mutiger wurde.
Ein Abseitstor, ein paar gute Kombinationen mit seinen Mitspielern und vor allem ein sehr aktives Freilaufverhalten zeigen, dass er sich nicht versteckt. Zudem machte der Offensivspieler kaum Fehler.
Und doch zeigt seine ordentliche, aber keinesfalls überragende Leistung, dass das aktuell vom FC Bayern vorgegebene Tempo für ihn richtig ist. Hier mal 20 Minuten in der Bundesliga, dort 60 Minuten gegen einen unterklassigen Gegner im Pokal. Karl deutet an, dass er für mehr bestimmt ist. Überstürzen muss man es in München aber keinesfalls. Sammelt er weiter so beständig Minuten, wird ihn diese Saison weit nach vorn bringen.
Augsburg wird ein Härtetest für den FC Bayern
Am Ende war die Leistung des FC Bayern in Wiesbaden nur halb so dramatisch, wie es der Verlauf der zweiten Halbzeit auf dem Papier wirken lässt. Die Spielanlage passt, die Chancen waren da und am Ende zieht man verdient in die nächste Runde ein.
Ein Pflichtsieg, der aber auch sowohl offensiv als auch defensiv das Verbesserungspotenzial aufgezeigt hat. Wie so oft wird vor allem das nächste Spiel zeigen, wie schwer die Makel vom Mittwochabend wiegen.
Besonders brisant: Für die Münchner geht es nach Augsburg. In den vergangenen acht Auswärtsspielen dort kassierten sie fünfmal zwei Gegentreffer. Der FCA hat zudem starken Aufwind durch Sandro Wagner. Umso wichtiger für die Bayern, dass es in Wiesbaden nicht in die Verlängerung ging.