Europameisterschaft in der schweiz
Frauen-EM 2025: DFB-Frauen ohne Giulia Gwinn, aber Carlotta Wamser könnte die perfekte Lösung sein
- Veröffentlicht: 08.07.2025
- 11:50 Uhr
- Justin Kraft
Giulia Gwinn hat sich verletzt und wird für die DFB-Frauen die gesamte EM verpassen. Die große Chance für Carlotta Wamser als Ersatz für die Kapitänin. Was ist der 21-Jährigen zuzutrauen?
Von Justin Kraft
Es war ein früher Schock für die DFB-Frauen: Giulia Gwinn verletzte sich im ersten deutschen Spiel der Europameisterschaft gegen Polen am Knie. Nicht nur wird die Kapitänin dem Team sportlich sehr fehlen, weil sie zu den besten Fußballerinnen Europas zählt. Auch die menschliche Ebene nahm das Team spürbar mit.
Gwinn hat bereits eine lange Geschichte mit schweren Verletzungen. Da war die Diagnose, dass das Kreuzband nicht betroffen ist, fast schon großes Glück im Unglück.
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Glück im Unglück ist für das DFB-Team auch, dass mit Carlotta Wamser hervorragender Ersatz bereitsteht. Die 21-Jährige blickt auf eine starke Bundesliga-Saison zurück und hat großes Potenzial. Bei der EM 2025 (das Turnier im kostenlosen Livestream auf Joyn) kann sie dieses nun unverhofft früh auf großer Bühne unter Beweis stellen.
Doch wer ist Carlotta Wamser überhaupt – und kann sie Gwinn schon jetzt ausreichend ersetzen?
Das Wichtigste in Kürze
Carlotta Wamser: Von Jungenteams bis zur Nationalspielerin
Die mittlerweile dreimalige Nationalspielerin hat eine Laufbahn hinter sich, die für junge Mädchen in Deutschland nicht unüblich ist. Aufgewachsen in ihrer Heimat Bad Salzuflen, begann sie ihre Fußball-Karriere bei der TuS Grastrup-Retzen, von wo es anschließend zum TBV Lemgo und dann zur SpVg Brakel ging.
In der C-Jugend spielte sie mit Jungs, stieg in die zweitklassige Westfalenliga auf und bekam eine Sondergenehmigung, um auch dort spielen zu dürfen, obwohl sie eigentlich schon zu alt für die C-Jugend war. 2020 wurde Wamser mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze ausgezeichnet.
Außerdem wechselte sie zur SGS Essen, für die sie bereits am 4. September 2020 debütierte und in allen Spielen zum Einsatz kam. Mit fünf Treffern war sie sogar die beste Torschützin bei den Essenerinnen – denn in der Jugend wurde sie als Stürmerin ausgebildet und spielte diese Position zunächst auch.
Erst später wurde sie regelmäßig auch defensiver und als Rechtsverteidigerin eingesetzt. Eine Position, die ihr aufgrund ihrer sehr körperlichen, aber auch technisch anspruchsvollen Spielweise liegt.
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Carlotta Wamser: Die Straßenfußballerin, die Deutschland braucht?
Wamser ist eine Straßenfußballerin, die viele Dinge auf dem Platz aus dem Bauch heraus entscheidet. "Mein Spielstil kommt 100 Prozent von den Jungs", wird sie von der "Bild" zitiert: "Wenn ich nicht mit ihnen gespielt hätte, wäre ich jetzt nicht hier. Den Körpereinsatz, die Schnelligkeit und das Spielverständnis habe ich so mitbekommen."
Gegen Polen deutete sie ihre bereits Qualitäten an. Mit Ballgewinnen, kurzen Dribblings und guten Laufwegen war sie ein wichtiger Faktor dafür, dass Matchwinnerin Jule Brand überhaupt in die Partie fand. Wamser spielt furchtlos und sehr zielgerichtet in Richtung Offensive.
Frauen-EM 2025: Auf diesen Kader setzt Bundestrainer Christian Wück
In der Bundesliga gelangen ihr in der abgelaufenen Saison vier Tore und fünf Assists, obwohl sie häufig nur eingewechselt wurde. Erst in der Schlussphase der Saison rutschte sie als Rechtsverteidigerin in die Startelf bei Eintracht Frankfurt - und erarbeitete sich so überhaupt erst die Aufmerksamkeit des DFB-Teams.
Als Bundestrainer Christian Wück sie nominieren wollte, hatte er nicht mal ihre Nummer: "Ich war mit ein paar Freunden auf Kreta im Urlaub, hatte gar nicht im Kopf, dass noch irgendwer anruft", sagte Wamser der "Bild": "Er hat zuerst meine Mutter angerufen, weil er nur die Nummer von ihr hatte. Meine Mutter hat dann mich angerufen, dass ich ihn zurückrufen soll. Das war ganz witzig."
DFB-Frauen brauchen mehr Offensivdrang
Wamser wirkt von außen gelassen, scheint mit dem nun gewachsenen Druck umgehen zu können. Auch beim sehr spontanen Einsatz gegen Polen bestätigte sie diesen Eindruck. Die Stürmerin, die nun hinten aushelfen soll, brauchte kaum Anlaufzeit.
Diese Coolness wird es brauchen, um den Ausfall von Gwinn zu kompensieren. Gerade mit ihrer mutigen Herangehensweise ist Wamser aber alles zuzutrauen. Dass sie den Fußball sehr offensiv denkt und dabei manchmal die Absicherung in der Rückwärtsbewegung vergisst, muss zudem kein Nachteil sein.
Gerade in der ersten Halbzeit war das Spiel der Deutschen gegen Polen zu verhalten, zu statisch und zu abwartend. Womöglich auch deshalb, weil man um die eigenen Schwächen in der Defensive weiß. Umso belebender kann es aber sein, wenn mit Wamser eine Spielerin dazukommt, die nicht darüber nachdenkt, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn man etwas zu offensiv agiert.
Unter Wück waren die DFB-Frauen bisher dann am stärksten, wenn sie sich mit gnadenlosem Offensivspiel verteidigt haben. Und genau dabei kann Wamser helfen.
"Energiebündel" Wamser wird von Teamkolleginnen gefeiert
Selbst ihre Teamkolleginnen waren begeistert von ihrem ersten Einsatz bei dieser EM: "Keine Ahnung, das wievielte Länderspiel es für sie war", wunderte sich Laura Freigang: "Das muss man erst mal machen – und dann noch ein Assist."
Ann-Kathrin Berger fand, dass Wamser es "faszinierend gut gemacht" habe: "Sie wurde einfach ins eiskalte Wasser reingeschmissen." Doch es war Freigang, die vielleicht die passendsten Worte für den Gwinn-Ersatz fand.
"Carlotta ist einfach so ein unfassbares Energiebündel auf dem Platz", beschrieb die Frankfurterin ihre ehemalige Teamkollegin, die zu Bayer Leverkusen wechselt: "Die Außenverteidigerposition spielt sie ja gar nicht so lange, aber irgendwie verbindet diese Position auf magische Weise alle ihre Stärken. Sie macht vorne Dampf, gewinnt aber auch Eins-gegen-eins-Duelle nach hinten, ist unfassbar schnell."
Mit ihr könnte der frühe Schock rund um Giulia Gwinn bald zu einem weiteren Antrieb werden, der die DFB-Frauen weit im Turnier trägt. Bereits gegen Dänemark wird sich zeigen, wie weit Wamser wirklich schon ist. Dann muss sie erstmals vorbereitet in ein EM-Spiel gehen.