Formel 1 in der Sommerpause
Formel 1 - Christian Danner: Karriereende von Lewis Hamilton? "Zu viel Selbstgeißelung"
- Aktualisiert: 21.08.2025
- 09:03 Uhr
- Andreas Reiners
Die Formel 1 macht Pause. Wir haben mit dem Experten Christian Danner Bilanz gezogen und über Lewis Hamilton, den Titelkampf, den RB-Absturz, 2026 und Mick Schumacher gesprochen.
Das Interview führte Andreas Reiners
Die Formel 1 ist in der Sommerpause - und hat jede Menge Gesprächsstoff hinterlassen.
Welcher McLaren-Fahrer hat Vorteile? Wird es zwischen Oscar Piastri und Lando Norris noch eskalieren? Ist die Ehe Lewis Hamilton /Ferrari nur ein großes Missverständnis? Wie prekär ist die Lage bei Red Bull und Max Verstappen? Was können wir von 2026 erwarten?
Und was passiert mit Mick Schumacher?
Bevor die Königsklasse Ende August in Zandvoort (im Liveticker, live im Free-TV bei RTL und auf Sky) wieder an den Start geht, hat der frühere Formel-1-Fahrer und RTL-Experte Christian Danner im ran-Interview Antworten zu den Fragen geliefert.
Das Wichtigste in Kürze
Formel-1-Titel: Darum geht er an Oscar Piastri
ran: Herr Danner, Oscar Piastri und Lando Norris dürften den Titel unter sich ausmachen. Wer hat aus Ihrer Sicht mehr Champion-Gene?
Christian Danner: Es ist davon auszugehen, dass es sich zwischen diesen beiden entscheiden wird. Interessant ist dabei, dass wir es mit zwei völlig unterschiedlichen Typen zu tun haben: Auf der einen Seite der lächelnde Herzensbrecher Lando Norris, der mal charmant, mal melancholisch wirkt. Auf der anderen Seite der eher blasse, emotionslos wirkende, sehr analytische Oscar Piastri. Und doch fahren beide auf absolutem Topniveau bis auf die Hundertstel gleich schnell. Das ist schon beeindruckend. Ich persönlich glaube, dass am Ende Piastri das Rennen machen wird.
ran: Warum?
Danner: Weil sein Fehlerpotenzial geringer ist. Das hat er nicht nur bewiesen, es zeigt sich auch in seiner Art: ruhig, überlegt, fokussiert. Er lässt sich kaum aus der Ruhe bringen. Das Pendel schlägt für mich klar in seine Richtung. Aber: Die Fans von Norris müssen nicht traurig sein. Es ist so eng, das wird sich wahrscheinlich erst im letzten Rennen entscheiden.
ran: Norris hat aktuell ein Momentum. Wie viel ist das wert?
Danner: Erfolg ist immer das beste Mittel für mehr Erfolg. Aber man muss auch sagen: Norris hatte zuletzt etwas mehr Rennglück als Piastri, sei es in Silverstone oder in Budapest. Und Glück bleibt nicht auf Dauer bei einem Fahrer. Psychologisch mag das Momentum gerade bei Norris liegen, aber Piastri stört das überhaupt nicht. Der zieht seinen Stil weiter durch.
ran: Titelkämpfe unter Teamkollegen enden oft im Crash. Wird das auch hier eskalieren?
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Danner: Ausschließen kann man das nie. Ich halte beide zwar für gut geführt und nicht so aggressiv gegeneinander wie früher etwa Senna und Prost, aber trotzdem: Wenn es um den Titel geht, kann es krachen. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht hoch, aber sie ist definitiv vorhanden.
ran: Wie sollte das Team damit umgehen? Teamorder? Oder einfach laufen lassen?
Danner: Ich glaube, das Team hat eine ganz klare Haltung: Hauptsache, ein McLaren-Fahrer wird Weltmeister. Wer genau es am Ende ist, spielt keine große Rolle. Die Konstrukteurs-WM ist so gut wie gesichert, und solange keiner von außen ernsthaft Druck macht – aktuell sind Red Bull und Verstappen dafür zu schwach –, lassen sie die beiden frei fahren. Eingreifen werden sie nur, wenn die übergeordneten Ziele in Gefahr geraten. Sollte Verstappen aus irgendeinem Grund wieder Siege einfahren, könnte sich die Vorgehensweise ändern.
ran: Ist McLaren insgesamt reifer geworden, um solche Entscheidungen zu treffen?
Danner: Absolut. McLaren hat zwar eine große Geschichte, aber jedes Team besteht letztlich aus wechselnden Menschen. Sie mussten neu lernen, wie man gewinnt. Das haben sie inzwischen verinnerlicht.
Danner: Lage bei Red Bull prekär
ran: Red Bull scheint im Titelkampf keine Rolle mehr zu spielen. Wie prekär ist die Lage?
Danner: Das, was wirklich prekär ist, ist die Tatsache, dass die zwischen "Wir können ein Rennen gewinnen" und "Wir sind im Nirgendwo" herumpurzeln, ohne es im Griff zu haben. Wenn du weißt, dein Auto ist zu langsam, dann arbeitest du gezielt daran. Aber wenn du nicht weißt, warum du heute gut und morgen katastrophal bist, dann stimmt etwas Fundamentales nicht. Genau das macht die Situation so prekär. Denn wenn dieser Fehler struktureller Natur ist, kann er sich 2026 im neuen Auto wiederholen.
ran: Wie schnell kann Red Bull wieder ganz vorne angreifen?
Danner: Schwer zu sagen. Aus dem Team hört man, dass man erste Ideen zur Problemursache habe. Wenn das zutrifft, könnten sie bald wieder konkurrenzfähig sein. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie auf McLaren-Niveau sind. Selbst wenn das aktuelle Tief überwunden wird, ist da noch viel Luft nach oben. Dazu kommt das größere, mittelfristige Thema ab 2026: Adrian Newey ist weg, der Kopf hinter vielen Erfolgen denkt jetzt woanders. Die Ingenieure haben sich in den letzten beiden Jahren auch nicht mit Ruhm bekleckert. Ob das an falschen Korrelationen im System liegt oder an den Leuten selbst, das wird erst das Auto für 2026 zeigen.
ran: Braucht Red Bull also neues Personal? Oder eher Kontinuität?
Danner: Ganz klar: Ruhe. In einer solchen Phase hilft Kontinuität mehr als hektisches Umstrukturieren. Gerade wenn du intern an einem neuen Konzept arbeitest, brauchst du Vertrauen und Stabilität.
ran: Ein weiteres Problem ist der zweite Fahrer. Wer ist die langfristige Lösung neben Verstappen?
Danner: Es gibt ein paar Namen, die durch die Welt geistern. Isack Hadjar hat bei den Racing Bulls ein starkes Einstiegsjahr hingelegt, der drängt sich regelrecht auf. Dann ist da Arvid Lindblad, sehr talentiert, sehr schnell in der Formel 2 unterwegs. Yuki Tsunoda ist theoretisch auch noch im Rennen. Aber das Hauptproblem liegt nicht beim Fahrer, sondern beim Auto. Solange das Fahrzeug nicht funktioniert, wird sich auch der zweite Fahrer nicht in den zwei Zehnteln hinter Verstappen etablieren können, was aber das Minimum sein müsste.
ran: Die Entscheidung von Max Verstappen, bei Red Bull zu bleiben, hat Sie nicht überrascht?
Danner: Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, er ist aktuell ganz zufrieden. Er hat bei Red Bull bekommen, was er wollte, und blickt jetzt mit Interesse auf die neue Formel-1-Welt, die 2026 kommt. Dann stellt sich die Frage: Wer hat die Nase vorn? Ist es wieder McLaren? Kommt Ferrari mit Hamilton? Oder schafft Aston Martin mit Adrian Newey den Durchbruch? Vielleicht ist auch Mercedes titelreif. Er kann sich's ja aussuchen. Und deshalb ist es gar nicht so blöd, ein Jahr zu warten. Denn für ihn zählt nur eines: ein Auto, mit dem er gewinnen kann. Wenn Red Bull das nicht liefert, geht er woanders hin.
F1 2026: "Aus der Luft gegriffene Gerüchte, völlige Fantasie"
ran: Das neue Reglement sorgt für viele Spekulationen. Was trauen Sie wem zu?
Danner: Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht, und niemand weiß es wirklich. Diese neue Motorengeneration ist hochkomplex. Es gibt genügend Plattformen und Journalisten, die behaupten, sie wüssten es. Aber das sind aus der Luft gegriffene Gerüchte, völlige Fantasie. Denn wer was kann, kann heute niemand seriös sagen. Auch ich nicht.
ran: Gibt es denn für Red Bull oder Audi automatisch strukturelle Nachteile im Motorenprojekt, weil sie nicht so viel Erfahrung damit haben?
Danner: Für Audi ganz klar: ja. Aus dem Stand dahin zu kommen, wo sich die anderen bewegen, ist sicherlich schwieriger, als eine Evolution des Bestehenden zu machen. Red Bull hat mit Ford zwar auch ein neues Projekt am Start, aber sie haben ein Team aus Top-Leuten zusammengestellt, mit viel Know-how und modernster Technik. Das ist ein anderes Kaliber.
ran: Ferrari will 2026 auch vorne mitfahren. Mit Lewis Hamilton?
Danner: Das ist eine berechtigte Frage. Ich war in Budapest, und da wurde offen darüber gesprochen, ob Hamilton das Handtuch werfen könnte. Einerseits ist das denkbar, weil er aktuell weit weg ist von einem konkurrenzfähigen Szenario. Andererseits: Das ist nicht Hamiltons Stil. Er ist ein Kämpfer, will der Welt beweisen, dass er es immer noch kann. Ich persönlich glaube, er bleibt und zieht es durch. Aber ausschließen kann man einen Rücktritt nicht.
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ran: Die Eingewöhnungsphase ist ja vorbei, die Schonfrist auch. Warum läuft es bei ihm weiter unrund?
Danner: Der Rückstand liegt aktuell in der Regel bei zwei bis drei Zehnteln. Das wirkt wenig, ist aber auf diesem Niveau entscheidend. In der Sommerpause muss Hamilton für sich entscheiden: Geht er den Ferrari-Weg mit, so, wie das Team ihn vorgibt? Oder versucht er das so umzubiegen, dass die machen, wie es ihm gefällt? Beides kostet Energie und ist ergebnisoffen. Wenn ein Fahrer nicht bekommt, was er vom Auto erwartet, kann er sein Potenzial nicht abrufen. Das hat man bei großen Namen gesehen. Denken Sie an Michael Schumacher bei Mercedes. Auch dort hat das Auto einfach nicht gepasst.
ran: Gilt die "Ausrede Auto" für einen Formel-1-Fahrer tatsächlich noch?
Danner: Ja, absolut. Jeder Fahrer braucht ein Auto, das zu seinem Stil passt, und manche kommen besser damit klar als andere. Das Extrembeispiel ist Max Verstappen: Er fährt das Red-Bull-Auto in einer ganz bestimmten Art, die für andere schlicht nicht umsetzbar ist. Die Teamkollegen sind zum Teil eine Sekunde langsamer, obwohl sie das gleiche Material haben. Das zeigt: Das Auto ist immer ein entscheidender Faktor.
Ferrari: Wie nutzlos ist Hamilton?
ran: Wie nutzlos ist er jetzt tatsächlich bei Ferrari?
Danner: Ich fand seinen öffentlichen Auftritt ein bisschen zu viel Selbstgeißelung. Das war mir ehrlich gesagt zu theatralisch, um es voll ernst zu nehmen. Ich glaube, das war taktisch motiviert, eine Art Weckruf an Ferrari. Das war eher ein kommunikatives Tool als eine echte Selbstaufgabe.
ran: Im Januar wird Hamilton 41. Welche Rolle spielt das Alter?
Danner: Es ist sicher ein Faktor, aber für mich kein limitierender. Das Alter ist nicht das Problem. Das Problem ist: Das Auto macht nicht, was Hamilton braucht.
ran: War der Wechsel zu Ferrari rückblickend ein Fehler?
Danner: Bei Mercedes hätte er ein leichteres Leben gehabt, auch wenn er sich gegen Russell nicht signifikant durchgesetzt hätte. Aber dort war die Zukunft gesichert, die Rolle klar, und er hätte sich auf Jahre hin als Markenikone inszenieren können. So gesehen hätte er bei Mercedes sicher ein komfortableres Umfeld gehabt. Aber: Ich respektiere, wenn ein Athlet die große Herausforderung sucht. Nur glaube ich, dass Hamilton diese Herausforderung unterschätzt hat.
ran: Ferrari hat kürzlich mit Teamchef Fred Vasseur verlängert. War das richtig?
Danner: Ja, ganz klar. Wir haben über Kontinuität gesprochen, und genau die braucht Ferrari jetzt. Ein neuer Teamchef würde nur Chaos bringen, alles müsste wieder bei null anfangen. Vasseur hat ein funktionierendes System aufgebaut, das zwar noch hinter McLaren hinterherfährt, aber grundsätzlich auf dem richtigen Weg ist. Gerade in der Übergangsphase Richtung 2026 ist Stabilität entscheidend und Vasseur ist da der richtige Mann.
ran: Bei Nico Hülkenberg war der Wechsel zu Sauber/Audi dann doch richtiger als gedacht?
Danner: Wenn man sich anschaut, was Hülkenberg unter schwierigen Bedingungen geleistet hat, dann war das absolut beeindruckend. In solchen Momenten macht ein Fahrer den Unterschied, und das hat er bewiesen. Rein nüchtern betrachtet hätte er ähnliche Leistungen wohl auch im Haas zeigen können. Aber der Wechsel hat sich aus einem anderen Grund doch gelohnt, nämlich wegen seines neuen Teamkollegen. Gabriel Bortoleto ist nicht nur menschlich ein absoluter Volltreffer, sondern fahrerisch einer der spannendsten Nachwuchspiloten im gesamten Feld. Mit ihm zusammenzuarbeiten, motiviert Hülkenberg spürbar.
Colapintos Fanbase "sehr, sehr unangenehm"
ran: Sauber scheint sich stabilisiert zu haben. Gibt das Hoffnung für 2026?
Danner: Der Trend zeigt in die richtige Richtung. Auch organisatorisch hat sich viel getan. Die Stimmung im Team ist optimistisch, und das freut mich persönlich, weil ich das Team mag. Und natürlich auch, weil Audi mitmischt, da hofft man aus deutscher Sicht natürlich mit. Aber: Das große Fragezeichen bleibt der Motor. Da wird man erst 2026 sehen, wie konkurrenzfähig das wirklich ist.
ran: Wer war für Sie bisher die positivste und die negativste Überraschung der Saison?
Danner: Die negativste ist tatsächlich Lewis Hamilton. Andere wie Yuki Tsunoda waren erwartbar inkonstant, das hat mich nicht überrascht. Eine weitere Enttäuschung ist für mich Franco Colapinto. Der bringt einfach nichts Zählbares auf die Strecke, und gleichzeitig hat er eine extreme Fanbase aus Argentinien, die auf Kritik empfindlich reagiert. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Jede Kritik bringt einen Shitstorm mit sich. Das ist sehr, sehr unangenehm. Da kann er nichts für, aber die Fans sind wirklich krass.
ran: Und die positive Überraschung?
Danner: Ganz klar Bortoleto. Er ist für mich das große Talent dieser Saison, sowohl fahrerisch als auch menschlich. Aber auch Hadjar hat sich stark gezeigt. Die beiden würde ich als aufstrebende Kräfte ganz oben auf der Liste sehen.
Wie stehen die Chancen von Mick Schumacher?
ran: Wie bewerten Sie aktuell die Chancen von Mick Schumacher auf ein Formel-1-Comeback?
Danner: Er steht auf der Cadillac-Liste, das hat Teamchef Graeme Lowdon selbst bestätigt. Aber ich sehe ihn nicht ganz oben auf dieser Liste. So sehr ich es ihm wünschen würde: Ich halte ein Comeback für unwahrscheinlich. Ein bisschen Glück kann im Motorsport zwar viel bewirken. Und wenn sich irgendwo eine Tür öffnet, hat er sich eine Chance definitiv verdient. Nur: Wenn Sie mich konkret fragen, wie ich es aktuell einschätze, sage ich klar: Es sieht nicht gut aus.
ran: Woran liegt das? Gibt es bessere Alternativen? Oder ist er zu lange raus? Oder beides?
Danner: Beides spielt eine Rolle. Mick war zu lange raus, um bei den Teamchefs ganz oben auf dem Zettel zu stehen. Und gleichzeitig gibt es genügend Fahrer, die Erfahrung und Tempo mitbringen, etwa Valtteri Bottas oder Sergio Pérez. Solche Namen sind im Rennen, wenn es um verfügbare Cockpits geht.