Bundesliga
Bayer Leverkusen - Nach Alonso, Wirtz und Co. weg: Verlässt auch Kapitän Granit Xhaka das "sinkende Schiff"?
- Aktualisiert: 16.07.2025
- 14:12 Uhr
- Andreas Reiners
Bayer Leverkusen steht inmitten eines XXL-Umbruchs. Wie schmerzhaft wird der? Wir haben mit einer Bayer-Legende über die Herausforderung gesprochen.
Von Andreas Reiners und Kai Esser
Der Aderlass ist enorm.
Xabi Alonso ist weg. Florian Wirtz auch. Trainer und Topstar, Herz und Seele des zurückliegenden Erfolgs. Dazu auch Jeremie Frimpong. Und Jonathan Tah. Säulen des Aufschwungs.
Und weitere stehen seit Wochen in den Schlagzeilen, weil sie umworben werden oder selbst einen Wechsel nicht ausschließen. Wie Victor Boniface. Alejandro Grimaldo. Piero Hincapie. Patrik Schick.
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Oder sogar Granit Xhaka.
Zwingend stellt sich die Frage: Hat Alonso einen Dominoeffekt ausgelöst? Wollen alle weg? Bricht bei Bayer Leverkusen jetzt alles zusammen? Implodiert das Erfolgsteam?
Bayer Leverkusen: Granit Xhaka im Saudi-Fokus
Zumindest der Abgang von Mittelfeldstratege Granit Xhaka ist alles andere als vom Tisch. Interessenten gibt es genug. Neben Premier-League-Aufsteiger FC Sunderland, der Jobe Bellingham ersetzen muss, will auch Saudi-Pro-League-Aufsteiger Neom SC den Schweizer verpflichten.
"Ich will nicht leugnen, dass es Interesse gibt", sagte Sportchef Simon Rolfes zuletzt. Freilich, Xhaka glänzte selbst in der - gemessen am Meisterjahr - ausbaufähigen Vorsaison mit Top-Werten aller Art. "Er soll eine wichtige Rolle in unserer Mannschaft einnehmen", zitiert ihn die "Süddeutsche Zeitung".
Der Schweizer selbst äußerte sich ambivalent. Während er in deutschen Medien seine Zuneigung zu Leverkusen äußerte, sprach er beim Abschied seines Bruders Taulant im Basler St. Jakob Park davon, dass er "bald wieder FCB-Spieler sei". Na was denn nun?
Ob das ehemalige Raubein und mittlerweile Stratege in der Bundesliga bleibt, ist derzeit nicht abzuschätzen. Ein möglicher Abnehmer, besagter Neom SC, ist übrigens ein vom saudischen Staatsfond finanzierter Klub, der in einer Stadt beheimatet sein soll, die es noch gar nicht gibt. Xhaka soll ein Aushängeschild dessen werden.
Bayer Leverkusen: "Es wird sich nicht alles auflösen"
"Dass Bayer jetzt auseinanderfällt, ist übertrieben", sagt Bayer-Legende Carsten Ramelow dennoch im ran-Gespräch. "Natürlich steht der Klub vor einem großen Umbruch, denn wichtige Schlüsselpositionen müssen neu besetzt werden. Das wird spannend, keine Frage. Aber es wird sich nicht alles auflösen."
Ein Stück weit kann sich Ramelow bei seinem Optimismus auch auf die Vergangenheit stützen. Zu seiner Zeit holte Bayer zwar keine Titel, war aber als "Vizekusen" trotzdem erfolgreich, weckte dadurch Begehrlichkeiten und musste ebenfalls schmerzhafte Abgänge verzeichnen.
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"Ob Paulo Sergio, Michael Ballack, Ze Roberto – die sind gegangen, und wir mussten das auch auffangen. Das gehört zum Geschäft, gerade wenn man als Klub Erfolg hat", sagte er.
Und wenn man dabei ein Verein wie Bayer Leverkusen ist. Werksklub hin oder her: Auch in Leverkusen gibt es Grenzen des Machbaren. Dass der Klub in den vergangenen beiden Jahren sportlich die eigenen Grenzen verschoben hat, ist nicht die Normalität.
Bayer Leverkusen: Der Umbruch war abzusehen
Soll heißen: Es war abzusehen, dass es einen Umbruch geben wird. Die Frage war immer, wie groß der ausfällt. Dass die Abgänge von Alonso und Wirtz nun zeitlich zusammenfallen, überrascht nicht, macht es aber auch nicht einfacher. Ein Xhaka-Abgang würde Bayer 04 allerdings halbwegs unerwartet treffen.
Den aktuellen Dominoeffekt sieht Ramelow als "Folge des Erfolgs. Eigentlich ist es sogar ein Kompliment für die Verantwortlichen. Man hat eine Mannschaft gebaut, die funktioniert hat und die sich dadurch ins Schaufenster gespielt hat". Gegen das große Geld aus England oder von anderen Topklubs ist man dann aber weitestgehend machtlos.
Ein Vorteil: Es ist nicht der erste Umbruch in Leverkusen. "Das ist ein enormer Kraftakt, eine riesige Aufgabe, aber auch eine echte Chance. Leverkusen hat oft genug gezeigt, was möglich ist, wenn man klug und nachhaltig arbeitet", betont Ramelow.
Bayer Leverkusen: Erste Transfers fast fix
Die bisherigen Transfers deuten das an. Geholt wurden zum Beispiel U21-Vize-Europameister Tim Oermann (21), Ibrahim Maza (19) und Abdoulaye Faye (20). Malik Tillman (23) und U21-Europameister Jarell Quansah (22) sind im Anflug und verkörpern die Zielgruppe, die Bayer ins Visier nimmt: jung und entwicklungsfähig, aber auch auf Anhieb einsatzfähig.
Klar ist: Das wird und darf nicht alles sein. Denn unstrittig ist auch: Es braucht echte personelle Statements, nicht nur hoffnungsvollen Nachwuchs. Nicht einmal für Ansagen an die Konkurrenz, sondern für die eigene Gemengelage. Dass Bayer die Abgänge nicht unbedingt 1:1 kompensiert, aber mindestens ambitioniert kontert.
Es wird darauf ankommen, die richtigen Leute für die richtige Mischung zu finden. "Man muss gezielt investieren, aber mit Bedacht", warnt Ramelow. Also nicht mit dem vielen Geld auf einen Superstar setzen, sondern auf passende Charaktere. "Spieler, die nicht nur fußballerisch, sondern auch menschlich und von der Mentalität her in die Mannschaft passen. Und die sich wie Wirtz zu einem Superstar entwickeln können." Wichtig sei es, nicht in die Falle zu tappen, so Ramelow, "für viel Geld vermeintliche Stars zu holen, die dann am Ende nicht in die Struktur passen".
Bayer Leverkusen: Essenzielle Trainerfrage
Besonders essenziell ist in dem Zusammenhang die Trainerfrage, und die hatte Bayer früh mit Erik ten Hag beantwortet, um den Niederländer in alle Planungen mit einbeziehen zu können.
"Einen Trainer wie Alonso eins zu eins zu ersetzen, ist kaum möglich", betont Ramelow. Jetzt gehe es darum, die Struktur neu aufzubauen. "Und das kann funktionieren - siehe Liverpool. Als Jürgen Klopp dort aufhörte, dachten viele: Das war’s", verweist er auf Nachfolger Arne Slot, der mit den "Reds" den Titel holte.
"Natürlich hinkt der Vergleich ein bisschen, Leverkusen ist nicht Liverpool, aber das Prinzip gilt trotzdem: Es geht weiter. Und es kann ähnlich erfolgreich weitergehen", sagt Ramelow.
Kann, muss aber nicht. Alonso war ein absoluter Glücksfall, die Ehe mit Bayer eine, die man selten erlebt. Beide haben sich gesucht und gefunden, es hat perfekt gepasst. Eine Liaison, die man nicht als Maßstab nehmen sollte.
Bayer Leverkusen: Ruhe für ten Hag?
"Es wird schwer, an den Erfolgen direkt wieder anzuknüpfen", weiß Ramelow. Ten Hag finde aber einen Verein vor, in dem man in Ruhe arbeiten könne, mit vielen jungen, talentierten Spielern. "Das kann auch für ihn eine Entwicklungsstufe sein."
Denn es gibt einige Baustellen, auch zwischenmenschliche. Zwischen Mannschaft und Trainer passte in den vergangenen beiden Jahren kein Blatt Papier. "Der Erfolg war ein Produkt aus vielen Faktoren: Teamgeist, Einstellung, Zusammenhalt – das alles muss man wieder neu formen. Das ist die große Kunst. Und wenn es mal nicht sofort klappt, darf man nicht in Panik verfallen", sagt Ramelow.
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Denn eigentlich ist das Leverkusener Umfeld wie gemacht für einen Umbruch. Was manchmal etwas spöttisch als beschaulich und langweilig abgetan wird, ist in Krisenzeiten Gold wert. Doch die Ansprüche sind zuletzt automatisch gestiegen. Zwar erwartet niemand ernsthaft das Double, aber auch bei Bayer werden die üblichen Mechanismen greifen, wenn es nicht läuft.
Bayer Leverkusen: Dann ist der ganze Hype vergessen
Vielleicht immer noch etwas später als anderswo, aber "wenn du schlecht startest, ist der ganze Hype von gestern schnell vergessen", sagt Ramelow. Soll heißen: "Dann wird der Trainer infrage gestellt, neue Spieler kritisch gesehen, alles geht wieder von vorne los. Das ist das Geschäft."
Leverkusen habe aber immer für ruhige, überlegte Arbeit gestanden, ganz anders als manch anderer Klub, meint Ramelow. "Ich hoffe, dass man sich treu bleibt."
Auch weil der Aderlass enorm ist - und noch enormer werden kann.